„Ich würde gerne in Schweden leben und studieren, um dort vor allem eine neue mir unbekannte Kultur, auch ihre Kultur des Glaubens in der Diaspora, kennenzulernen. Als Priesteramtskandidat ist es auch ein Test und ein Wachsen meiner eigenen Berufung zur priesterlichen Nachfolge.“
Rolf Marcel Fischer, *1993
Es gibt Menschen und Menschen. Es gibt Menschen, die für Spontanität geboren worden sind und es gibt Menschen, die alles planen müssen. Ich persönlich halte es da mit Kohelet, der sagt:“Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“ (Koh 3,1)
Ich bin zwar auch eher der Planende, bin aber auch ein relativ spontaner Mensch. Auch dieses Mal war ich vorbereitet, wollte es nicht einfach auf mich zu kommen lassen. Ich spreche von dem Ende meines Jahres hier in Uppsala. Ende…etwas, dass mich traurig und glücklich zugleich macht.
Wie gesagt, stehe ich nun am Ende einer wundervollen Reise, die mich quer durch Schweden, in die Pfalz bis nach Riga gebracht hat. Doch was sind schon Orte, Monumente, Denkmäler und Paläste, ohne die Menschen, die sie bewohnen und ohne die Menschen mit denen man diese Monumente der Geschichte besucht?
So will ich hier in meinem allerletzten Bericht über Schweden nicht zu sehr über die Orte sprechen, sondern eher über die Menschen, die ich dort traf, denn sie machen dieses Land erst unvergesslich. Was sind Erinnerungen wert, wenn niemand da ist, der sie mit mir erinnert?
Marcel Fischer, unser Praktikant in Uppsala, hat in den vergangenen Monaten unsere moderne und in Schweden sehr ausgeprägte Gesellschaft beobachten können und auch die Schattenseiten der Säkularisierung kennengelernt. Marcel reflektiert über die Stimmung, die er in Schweden erlebt und welche Rolle er sich von der Kirche wünschen würde:
Vor ein paar Monaten starb der (unter Jugendlichen) weit bekannte Musiker Kazim Akboga, dessen größter Hit den Titel ”Ist mir egal” trägt. In diesem Lied macht der Musiker Werbung für einen Lebensstil der „Toleranz“. Darunter versteht er einen Lebensstil, der alles erträgt und duldet, solange man nur den Anderen ebenfalls duldet. Das Ganze nennt sich heute „offene Kultur“ und hat zum Stil eine freie und ungezwungene Gesellschaft aufzubauen, in der jeder so sein kann, wie er es möchte. Was für ein Traum… keine Diskriminierung, keine Feindschaft, kein Hass - das Einzige, was bleibt, ist Toleranz und Freiheit. Dies ist das Mantra, auf dem auch die schwedische Kultur aufbaut: Toleranz für Alles und Jeden!
Immer mehr realisiere ich die Tatsache, dass sich mein Praktikum hier in Schweden dem Ende neigt. Ende...aber es hat doch gerade erst begonnen, oder nicht?
Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen, da ich hier am örtlichen Bahnhof ankam und es direkt anfing zu regnen. Gott sei es gedankt bin ich nicht abergläubisch, sonst hätte man es fast schon als Omen deuten können.
Die Erinnerung an die Tatsache, dass es enden wird und es nicht von Dauer sein wird, führt dazu, dass ich beginne meine Zeit bewusster zu reflektieren. Was habe ich gelernt, mitgenommen oder abgelegt in Schweden? Wo bin ich gewachsen, wo muss ich noch weiterhin an mir arbeiten?
Es kommen mehr und mehr Erinnerungen hoch, die anfangs noch sehr verschwommen waren, als wäre es Jahrzehnte her. Doch nun scheint es mir, diese „Flashbacks“ werden immer klarer und klarer und rufen mir all die kleinen großartigen Momente wieder in die Erinnerung, die ich erlebt habe.
Es ist ein komisches Gefühl…
zu wissen, dass ich schon so lange hier bin und nicht mehr so lange bleiben werde. Wie schnell die Zeit vergeht, wird einem leider erst nach den Ereignissen bewusst, was vielleicht zu einem weniger bewussten Erleben führt. Es ist irgendwie eine Erkenntnis, die aufgrund fehlender Umsetzung eigentlich keine richtige Erkenntnis zu sein scheint.
Um die anstrengende Woche gemütlich ausklingen zu lassen, haben wir uns zu einer gemeinsamen Waffel-Fika mit anschließenden Filmabend im Newman-Café getroffen. Weder die Wahl des Filmes noch die des Waffelbelages fiel uns anfangs leicht, aber nach einer Stunde haben uns sowohl die Waffeln geschmeckt als auch der Film gefallen. Ausnahmsweise fanden wir das ruhigere Kontrastprogramm zu den laut feiernden Studenten in den Studenten-Nations am internationalen Tag der Jogginghose passender ;-)
Zugegeben: die weihnachtliche Stimmung bei unseren Familien, Deutschland bereits am 27. Dezember zu verlassen, fühlte sich zunächst wirklich etwas komisch an. Gerade noch feierte man festlich Weihnachten und nur wenige Stunden später machten wir uns auf die lange Reise nach Riga. Gemeinsam mit einer Gruppe von Religionspädagogik-Studenten ging es für uns am Vormittag des 27. Dezembers vom Pauluskolleg in Paderborn aus los in die Hauptstadt Lettlands, um dort am europäischen Jugendtreffen der Gemeinschaft von Taizé teilzunehmen.
In Deutschland kennt wahrscheinlich fast jedes Kind den heiligen Nikolaus und am 6. Dezember wird er wohl fast überall gefeiert. Aber nicht in Schweden, denn hier kennt kaum jemand den heiligen Nikolaus. Nur bei den Katholiken im Land ist er bekannt. Stattdessen sind die heilige Lucia und „Tomte“, der schwedische Weihnachtsmann, die bekannten und geliebten Gesichter in der Advents- und Weihnachtszeit.
Wir wollten das Nikolausfest trotzdem feiern und den Heiligen in Schweden etwas bekannter machen.
Bei Minusgraden und strahlendem Sonnenschein machten wir uns am vergangenen Samstag auf in die nahegelegene Hauptstadt. Und bald waren wir uns alle einig: bei diesem Wetter ist Stockholm noch viel schöner (dabei ist die Stadt sogar im Regen hübsch). Und die Sonne muss man wirklich genießen, denn wirklich oft und lange bekommt man sie derzeit nicht zu sehen. Heute wurde es um 9 Uhr erst richtig hell und um 13.30 Uhr fing es schon wieder an zu dämmern…