» Da in meinem Heimatdorf in Bayern die meisten Menschen katholisch sind, wird es eine völlig neue Erfahrung für mich sein, in einem Land mit so wenigen Katholiken zu leben. Das stelle ich mir sehr interessant vor. Außerdem sehe ich das Praktikum als Chance, nach dem Abitur eine Pause zu machen und praktische Erfahrungen zu sammeln, bevor es ins Berufsleben geht. «
Abiturientin aus Ungerhausen
Von September 2021 bis März 2022 bei den Dominikanerinnen von Bethanien in Riga, Lettland
Im September 2021 bin ich mit meinen Kollegen Moritz und Philipp in Riga angekommen als das Mädchen, das unbedingt Journalistin werden wollte. Avocados kannte ich eigentlich nur aus der Werbung, fand sie aber trotzdem überbewertet. Fast neun Monate später steige ich allein ins Flugzeug nach Deutschland, gespannt darauf, welcher Job es am Ende werden wird – Mediengestalterin oder Übersetzerin? Vom Journalismus habe ich mich in der Zwischenzeit verabschiedet, und Avocados mag ich tatsächlich nicht.
Genaue Erwartungen an Lettland hatte ich eigentlich nicht. Ursprünglich hatte ich mich sowieso auf ein Praktikum in Schweden beworben, von Lettland wusste ich nur sehr wenig. Im Voraus viel im Internet zu recherchieren, fand ich auch nicht so wichtig – ich würde das Land ja noch früh genug selbst sehen.
Mit dem Verlieben ist es so eine Sache: kann sehr schön sein, endet aber meistens tragisch. Und meistens hätte man es von Anfang an besser wissen können. Der französische Schriftsteller Honoré de Balzac sagte einmal: "Verliebtsein ist nur ein außerordentlicher Fall von freiwilliger Blindheit", und Nietzsche stimmt ihm zu: "Mitunter reicht schon eine stärkere Brille, um den Verliebten zu heilen."
Ich finde, sie haben recht. Und trotzdem gehöre ich zu den Menschen, die eine stärkere Brille brauchen – und das vollkommen freiwillig. Es gibt so Vieles, das ich an meinem Praktikumsland mag. Den Sonnenuntergang über Riga, Spaziergänge an der Daugava im Sonnenuntergang… aber eben auch bezahlbare Zugtickets, unglaublich viel Tee, und Kuchen! Nennt mir einen Praktikanten, der sich nicht direkt in Riga verliebt.
… und feststellen musste, dass es doch nicht ganz so einfach war. Aber der Reihe nach.
Wenn ich mich an unser Vorbereitungsseminar im letzten Sommer erinnere, fallen mir direkt zwei Dinge ein: Die Sache mit den Kreditkarten und die mit dem Kulturschock.
Versicherung, Einreisebestimmungen und was für Steckdosen es im Praktikumsland gibt – alles nicht so wichtig wie der Kreditkartenantrag zum einen und angemessener Respekt vor dem Kulturschock und seinem Bruder, dem "Reverse Culture Shock", zum anderen. Diese letzteren beiden würden uns das Ankommen im Ausland schwer machen, unsere Rückkehr nach Deutschland auch. Außerdem waren sie schuld daran, dass man lieber nicht über Weihnachten die Familie besuchen sollte.
Das Erste, was mir an Lettland aufgefallen ist, waren die Straßen. Hier, wo Riga an Mārupe grenzt, schießt alle paar Meter ein Baum oder ein Verkehrsschild aus dem Boden - mitten auf dem Gehweg. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie ich irgendwann mit dem Handy in der Hand dagegen laufen werde. Alles in allem kommen mir die Straßen in Riga anfangs alles andere als sicher vor – und dann muss ich die zwanzig Minuten zum Einkaufszentrum auch noch zu Fuß gehen. Aber andererseits bremst auch jeder, wenn wieder mal ein Zebrastreifen quer über die Autobahn führt. Dafür, dass ich trotzdem auf die andere Straßenseite sprinte wie Usain Bolt, können die Autofahrer ja nichts.