Die Straßen in Reykjavík sind wie leergefegt. Auch wenn in Island "nur" ein Versammlungsverbot von mehr als 20 Menschen gilt und der Mindestabstand von zwei Metern gewährleistet sein muss, sieht es hier nicht viel anders aus als in anderen europäischen Ländern. Das liegt vor allem daran, dass die Touristen fehlen und es sich für viele Geschäfte, Restaurants und Cafés einfach nicht mehr lohnt, geöffnet zu bleiben. Zudem hat Island gemessen an seiner kleinen Bevölkerung sehr viele Infizierte. Auch die Isländer selbst sind in Sorge und bleiben eher zu Hause. Trotzdem merkt man gerade jetzt, dass die Isländer ein optimistisches Volk sind und sich nicht so leicht unterkriegen lassen.
Zum Glück kann ich meinen Aufgaben weiterhin nachkommen. Darüber bin ich sehr froh. Das Frühstück für Bedürftige, bei dem ich die Mutter Teresa Schwestern unterstütze, gibt es zwar in der Form nicht mehr, aber wir geben jetzt Kaffee und Sandwiches an die Leute aus, die vorbei kommen. So können sie sich zwar leider nicht mehr in den großen Frühstücksraum setzen und miteinander ins Gespräch kommen, aber sie bekommen zu essen und zu trinken und können sich waschen. Ein kurzes Gespräch mit uns ist natürlich auch immer drin und das ist für viele oft genauso viel Wert wie die Verpflegung.
Nachmittags habe ich ganz verschiedene Aufgaben im Gemeindehaus des Bistums. Besonders wichtig ist es gerade, dass die Kirche sauber gehalten wird, damit die Menschen weiterhin bedenkenlos zum Beten kommen können. Deshalb putzen eine Schwester und ich sie jetzt drei Mal die Woche. Das ist ganz schön anstrengend, aber es tut auch gut, einen Beitrag in dieser außergewöhnlichen Situation zu leisten.
Für mich ist das im Moment eine seltsame Zeit. Eigentlich bin ich gerade erst in Island angekommen und habe große Lust, alles zu erkunden, Menschen zu treffen, die Sprache zu lernen und Island zu entdecken. Das ist so alles leider nicht möglich. Neben meinen Aufgaben gehe ich viel spazieren, aber sonst gibt es kaum Möglichkeiten. Das ist schade. Außerdem finde ich es traurig und nervig, wie gerade alle Menschen einen weiten Bogen umeinander machen müssen.
Zudem mache ich mir natürlich Sorgen um meine Familie, meinen Freund und meine Freunde zu Hause in Deutschland. Ich hoffe sehr, dass sich die Situation bald bessert.