Für mich ist diese Frage bereits ein wichtiger Bestandteil meines begrenzten Lettischwortschatzes geworden. Sie bedeutet übersetzt so viel wie "Sollen wir noch einmal spielen?" und findet im Tageszentrum für Menschen mit Autismus täglich Anwendung. Aber nicht nur diesen Satz habe ich beim UNO-Spielen gelernt, sondern auch die Farben und Zahlen wurden mir anhand des Kartenspiels auf Lettisch beigebracht.
Auch sechs Wochen später kann ich mich noch an das Gefühl erinnern, als ich im
Flugzeug saß und wir in den Landeanflug gingen. Mein Blick fiel auf die schwedische Landschaft mit den süßen, roten Häuschen und, je näher wir dem Flughafen kamen, auf die Dächer der vielen Autos auf dem Parkplatz. In diesem Moment fühlte ich mich wie eine Romanfigur einem Buch. Und seitdem ist so unfassbar viel passiert, dass ich es kaum glauben kann. Manchmal
begreife ich gar nicht richtig, dass das hier mein neues Leben ist. Aber nun einmal von vorne.
Nach zwei Vorbereitungsseminaren, stundenlangem Aussortieren des Kinderzimmers und Kofferpacken hatte das ungeduldige Warten endlich ein Ende und wir machten uns am 2. September endlich auf nach Finnland. Auf dem Weg zum Flughafen war ich sehr unruhig und nervös, aber spätestens, als ich Pauline (meine Mitpraktikantin) vom Bahnsteig des BER abholte, wich die Anspannung und zurück blieb einfach nur noch riesige Vorfreude.
Nach insgesamt zwei Stunden Flugverspätung kamen Siri (meine Mitpraktikantin) und ich mit unseren schweren Koffern mitten in der Nacht im Gästehaus der Birgittenschwestern in Turku an, wo wir herzlichst von unserer Mentorin sowie einer anderen Schwester empfangen wurden. Der Tag beginnt um 9 Uhr mit der Arbeit, egal ob Gästezimmer vorbereiten, in der Küche helfen, bügeln oder den Essenssaal saugen und wischen. Wir kommen nach 10 Monaten zurück und wissen, wie der eigene Haushalt zu führen ist. Um 12 Uhr gibt es dann immer Mittagessen und nachmittags wird das Geschirr gespült und Aufgaben, die gerade so anfallen, werden erledigt. Meistens haben wir aber ab 14:30 Uhr frei. An den Wochenenden müssen wir nicht arbeiten und können deshalb ausschlafen.
Mir kam es wirklich so vor als wolle ganz Island mich willkommen heißen: Als ich vor drei Wochen bei strahlendem Sonnenschein hier ankam wurde ich sofort herzlich aufgenommen und mit Essen versorgt. Gleich am ersten Abend konnte ich meine ersten Polarlichter bestaunen und in den folgenden Tagen das außergewöhnlich gute Wetter für Erkundungstouren in Reykjavik nutzen.
Herzlich bin ich auch am 1. September hier empfangen worden. Und so ist es auch bis heute noch. Auch wenn die Esten nicht sehr nahbar sind, merkt man doch schnell, dass sie froh sind, dass man da ist. Die Kinder grüßen einen auf der Straße oder in der Schule und fragen wie es einem geht und sind sehr aufmerksam. Ich fühle mich hier so wohl und bin wirklich glücklich dieses Abenteuer gewagt zu haben. Estland ist für viele ein unscheinbares und vor allem unbekanntes Land, so auch für mich und so hatte ich nicht wirklich eine Vorstellung davon, was mich hier erwarten würde. Und wie soll ich sagen, die ersten sechs Wochen waren auf jeden Fall schon mal vielversprechend. Ich hab schon so viel erlebt und gesehen und bin wirklich positiv überrascht von diesem Land.
Gut vier Wochen lebe ich nun in Oslo (genauer gesagt in Strømmen), aber das ist nur einen Katzensprung entfernt, denn mit dem Zug fährt man nur 13 Minuten bis ins Zentrum. Langsam werden die Nächte kälter und die Tage kürzer. Der Winter bricht an. Es wird im Schatten der Nacht so kalt, dass die metallischen Dächer der Blechbüchsen auf der geschotterten Straße mit Milliarden winzig kleiner Frostkristalle überzogen sind.
Es ist schon ein bisschen ein seltsames Gefühl, als die Fähre in Deutschland ablegt. Ein Jahr lang werde ich keinen deutschen Boden mehr betreten. Den Boden, auf dem mein Zuhause liegt. Und wenn ich zurückkomme, werde ich eine ganz andere sein. (Wie Bilbo aus dem Hobbit-Film). Trotzdem habe ich Bock auf dieses Jahr. Ich will raus, ich will mehr.
Die letzten Wochen meines Praktikums waren im Sommer angebrochen und ich fragte mich: Wo ist bloß die Zeit geblieben? Gefühlt bin ich vor drei Wochen erst angekommen. Und war nicht gestern erst die Hälfte rum?! So kommt es mir vor! Aber dann kam die Frage von Mitvolontärin und Gartenfee Hanna: „Warst du jetzt den ganzen Sommer über hier?“ Die Zeit fliegt einfach so schnell und ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ich bald schon wieder zu Hause bin!
Knapp 9 Monate ist es jetzt her, dass ich aufgeregt in den Flieger nach Oslo stieg. Jetzt bin ich eine Weile wieder in Deutschland und langsam wird es Zeit, abschließende Worte zu finden.
Oslo ist eine unglaublich tolle Stadt. Sie ist so bunt und vielseitig. Jeder Bezirk hat seinen ganz eigenen Charakter und überall gibt es Neues zu entdecken. Kleine Märkte, Live Musik und Zimtschnecken in gemütlichen Cafés. Während im Winter die Lichterketten in den Straßen die Nacht erhellen, ist der Himmel im Sommer bis
um 1 Uhr durch einen traumhaften Sonnenuntergang erstrahlt. Sie ist groß genug, um dem Hauptstadtstatus gerecht zu werden, aber trotzdem kann man in 30 min das Panorama von Oslo auf einem Berg bestaunen oder auf einer der kleinen Inseln am Fjord entspannen.
Ich arbeitete zum einen im Newman-Institut in Uppsala und half dort dem Hausmeister bei verschiedensten Tätigkeiten. Des Weiteren half ich mit Maria, der anderen Praktikantin am Newman-Institut, mit Konferenzen und Buchvorlesungen vorzubereiten. Außerdem kümmerten wir uns um die Gästewohnungen des Newman-Instituts und bereiteten diese für kommende Gäste vor. Eine weitere Aufgabe bestand darin, das Studentencafé am Laufen zu halten und dafür einkaufen zu gehen. Jedoch arbeitete ich am Newman-Institut nur drei Tage die Woche, die anderen zwei Tage arbeitete ich im katholischen Kindergarten. Dort gelangte ich immer mit einer 1,5-stündigen Zugfahrt hin und ich half dort beim Essen machen und Kinder betreuen, sowie diese für das entsprechende Wetter draußen anzuziehen.
Jetzt bin ich seit einiger Zeit wieder zu Hause in Deutschland. Dennoch denke ich viel und gerne an die Zeit in Finnland zurück. An die Schwestern, die vielen Menschen, denen ich dort begegnet bin, die Spaziergänge durch Turku und natürlich an den vielen Schnee, den ich bis zu meiner Abreise im April noch hatte.