En härlig tid! = Eine herrliche Zeit!
Nach dem Abitur direkt mit dem Studium beginnen? Muss nicht sein. Lieber erstmal hinaus in die Welt und eine Zeit lang neue Erfahrungen sammeln und sich selber besser kennenlernen. Mit dieser Einstellung bewarb ich mich beim Praktikum im Norden und entschied mich dann für die Einsatzstelle in Stockholm. Zwar musste ich mich noch bis in den November gedulden, als ich endlich 18 wurde. Doch dann ging es los – das Abenteuer "Freiwilligendienst".
Das erste Mal selbstständig, weit weg von Zuhause und auf eigene Faust Alltag und neue Herausforderungen bewältigen. Neun Monate später blicke ich voller Zufriedenheit und Freude auf unglaublich viele Erinnerungen, neue Erfahrungen, Begegnungen mit Menschen zurück! Auch wenn es mal Schwierigkeiten gab bleiben die Momente in Erinnerung. Es war eine Zeit, die mich sicherlich geprägt und mich als Mensch enorm weitergebracht hat.
Zwei Einsatzstellen - Ein Jahr
Aber nun erstmal von vorne: Einer der Orte, an dem ich den Großteil meiner Arbeitszeit verbrachte, war der „Katolsk Bokhandel“ Welcher nur, je nach Laune, fünf Stockwerke zu Fuß oder mit dem Aufzug entfernt war. In diesem gemütlichen Laden, der weit mehr als nur Bücher im Sortiment hat, nämlich auch Schmuck, Rosenkränze, Kruzifixe, Statuen, etc. wurde ich sofort warmherzig willkommen geheißen.
Das Team ist mir in meiner Zeit wirklich ans Herz gewachsen – Peter, Rickard und alle weiteren Volontäre, mit denen ich gerne zur obligatorischen Fika beisammen saß und nebst der schwedischen Sprache viel über Stadt und Land, in dem ich mich nun aufhielt, erfuhr. Aber auch praktische Probleme, Erfahrungen und Pläne tauschten wir aus und mir wurde jederzeit bereitwillig geholfen.
Auch die Arbeit selbst in diesem katholisch-intellektuellen Milieu machte mir große Freude. Sei es neue Bücher einzusortieren, die Bestände zu checken oder auch mal Botengänge zu erledigen. Im Umgang mit Kunden konnte ich auch meine Schwedisch-Kenntnisse anwenden und erweitern.
Mein zweiter Arbeitsplatz war der Caritas Mötesplats, eine Anlaufstelle für Bedürftige, die alle Menschen willkommen heißt und versucht, ihnen zu helfen. Hier gehörte es zu meinen Aufgaben Kaffee und Tee zu kochen und etwas zu Essen zu machen, wobei uns Volontären schönerweise große Freiheiten gewährt wurde. Besonders in Erinnerung bleiben mir auch die zahlreichen Ausflüge in sämtliche Stockholmer Museen.
Des Weiteren half ich beim "Katolsk Forum", einem Vortrags- und Diskussionsformat in der Gemeinde beim Auf- und Abbau und versorgte die englischsprachige Studentengruppe zu ihren wöchentlichen Treffen mit Essen. Hier traf ich viele Freunde und lernte Menschen aus vielen verschiedenen Ländern kennen.
Die Facetten der Hauptstadt
Ich genoss es sehr in der "Hauptstadt Skandinaviens" zu wohnen und machte reichlich Gebrauch von den Angeboten und Möglichkeiten dieser faszinierenden Stadt. Ich besuchte Museen, Bars, ging in die Oper oder streifte einfach zu Fuß, per U-Bahn und Boot durch die breiten Boulevards, engen Gassen, Flanierpromenaden und Parks Stockholms. Mit großem Vergnügen ging ich regelmäßig auf der Parkinsel Djurgarden joggen, spielte mit Kumpels aus der Gemeinde Fußball und schaute ebenso bei Sportveranstaltungen zu.
Diaspora in Schweden
Aufgrund meiner Wohnlage im Kirchengebäude hatte ich naturgemäß viele Berührungspunkte mit der Diaspora-Kirche in Schweden. St. Eugenia ist dabei die größte Gemeinde des Landes, was sich an der übervollen Kirche jeden einzelnen Sonntag bemerkbar machte. Ich erlebte eine Liturgie, die deutlich ursprünglicher und "strenger" ist als ich es aus Deutschland gewohnt war. Ich konnte dem vielen Latein aber auch einiges abgewinnen.
In der individuellen Glaubenspraxis zeigte sich, dass der Glaube für viele eine sehr große Rolle spielt. Einige gehen täglich zu einem der zahlreichen Gottesdienste, beten den Rosenkranz täglich und frequentieren das Sakrament der Beichte. Oft spiegelt sich diese Grundierung auch in Meinungen in Hinblick auf politische und gesellschaftliche Fragen wieder - durchaus spannend zu sehen.
Schön war es aber auch, die Gemeinschaft junger Menschen mitzuerleben, so bei den wöchentlichen Treffen der Studentengruppe als auch bei vielen Aktivitäten wie Retreats in der Adventszeit und an Pfingsten.
Eine große Reise
Große Höhepunkte waren immer wieder meine Reisen, auf denen ich die anderen Freiwilligen besuchte. Zum einen war es sehr schön, sie wiederzusehen und Erfahrungen mit ihnen auszutauschen, zum anderen natürlich auch, ihre Städte und Ländern kennenzulernen. Ich besuchte eine Reihe meiner "Kollegen" und kann auf spannende und erlebnisreiche Reisen zurückblicken: Nach Oslo zu Balthasar und Zorah, nach Estland zu Marit und Svea, nach Kopenhagen zu Friederike, nach Trondheim zu Benni und Ben und nach Island zu Malte und Sophia. Eine große Anzahl neuer Länder und Städte in kurzer Zeit. Hinzu kam eine Reise in den hohen Norden Schwedens, die ich mit Severin und Zorah unternahm.
Wir genossen eine Schlittenhundetour und konnten sogar Polarlichter sehen. Es machte mir jeweils enorm viel Spaß und war sehr gewinnbringend. Ebenso sehr gefreut habe ich mich, wenn ich von anderen Freiwilligen besucht wurde, so wie sich etwa Balthasar gleich zwei Mal die Ehre gab.
Es ist sehr schön zu sehen, wie aus uns Freiwilligen eine eingeschworene Gemeinschaft wurde, insbesondere die gemeinsam verbrachte Zeit zu Weihnachten und Silvester bleibt dabei äußerst schön in Erinnerung.
Ein stolzer Rückblick
Ich bin ein bisschen stolz auf mich, es geschafft zu haben, mein gewohntes Umfeld verlassen zu haben und mich in ungewohnter Selbstständigkeit zurechtgefunden und mich in Haushaltsführung (mehr schlecht als recht) bewährt zu haben. Mir ein soziales Umfeld aufgebaut zu haben. Sehr viel Spaß hat mir das Erlernen des Schwedischen gemacht, sowohl explizit in den Kursen der Volksuniversität als auch implizit im täglichen Umgang mit Kollegen und auf der Straße. Es war toll zu sehen, dass ich mich zunehmend in der Landessprache verständigen konnte. Zuletzt redete ich mit einigen Freunden nur noch auf Schwedisch – ein schönes Gefühl.
Ich habe gelernt, dass ich durchaus auch mal spontan sein kann und dass Flexibilität durchaus ihre Vorteile hat. In diesem Sinne hat mir die schwedische (Arbeits-)Mentalität sehr gefallen. Alles ist ein bisschen lockerer und entspannter. Das werde ich sicher vermissen. Überhaupt konnte ich viele schwedische Traditionen wie das Lucia-Fest, Valborg und Midsommar mitfeiern und so viele Facetten der schwedischen Kultur kennenlernen.
Außerdem habe ich immer wieder feststellen können, wie gut es mir eigentlich geht und mit wie vielen Privilegien ich aufgewachsen bin. Insbesondere die Arbeit bei der Caritas hat mich dahingehend sehr geerdet. Es war beeindruckend zu sehen, mit welcher Lebensfreude viele durch ihr Leben gehen, obgleich sie unter weitaus widrigeren Umständen leben als etwa ich. Unsere kleinen Feierlichkeiten und Ausflüge mit der Caritas zauberten dann immer viele lachende Gesichter hervor. Und auch ich konnte meinen kleinen Beitrag dazu leisten.
Fazit
Ich bin sehr glücklich mit der Entscheidung, mich vor etwa eineinhalb Jahren für das "Praktikum im Norden" beworben zu haben und ebenso sehr, mich für Stockholm als Einsatzstelle entschieden zu haben. Im Grunde kam wenig gänzlich anders als erwartet aber es war definitiv noch schöner und horizonterweiternder als ich es mir hätte vorstellen können. In den vergangenen acht Monaten habe ich so unfassbar viel erlebt und gesehen, dass ich hier noch seitenweise weiterschreiben könnte und vor allem enorm dankbar für diese Chance bin.