Ein Jahr zwischen Blumenkränzen und roten Häusern

Die schwedische Fahne
Die schwedische Fahne

Blumenkränze, rote Häuser und ganz viel Kuchen - das ist für mich Schweden und noch so viel mehr. In den letzten zehn Monaten hatte ich durch das Bonifatiuswerk die Möglichkeit, in Schweden zu leben und so ein Stück weit in die skandinavische Kultur einzutauchen. Das machte mein "Praktikum im Norden" zu einer ganz besonderen Erfahrung, die ich hier festhalten möchte. Ein neues Zuhause, eine neue Arbeit. Meine Einsatzstelle war das Gästehaus der Birgittaschwestern in der hübschen schwedischen Kleinstadt Vadstena.

Vielfältige Arbeit im Kloster

Das Gästehaus befindet sich direkt neben der katholischen Kirche und dem Kloster Pax Mariae, in dem zur Zeit acht Birgittaschwestern leben. Hier habe ich gewohnt und gearbeitet. Ein kürzerer Arbeitsweg ist also kaum möglich.

Die Arbeit sah unterschiedlich aus, je nachdem ob gerade eine Gruppe im Haus war. In diesem Fall haben meine Mitpraktikantin Ricarda und ich Frühstück vorbereitet, das Mittag- und Abendessen aufgedeckt und hinterher alles wieder aufgeräumt und gespült. Manchmal durften wir sogar selbst für eine Gruppe kochen.

 

Andere typische Aufgaben waren das Putzen der Aufenthaltsräume und der Toiletten oder das Hin- und Hertragen von Möbeln, wenn Zimmer renoviert wurden. Außerdem waren wir für das Ministrieren in der Messe am Sonntag und den anschließenden Kirchenkaffee verantwortlich. Kirchenkaffee bedeutet, dass sich alle Gottesdienstbesucher, die möchten, im gemütlichen Salon des Gästehauses zu einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen einfinden. Eine wirklich schöne Tradition, finde ich. Am liebsten habe ich dabei geholfen, Kerzen zu verzieren, die dann im Klosterladen verkauft wurden.

Ein sehr berühmtes Pizza-Essen

Ein Mülleimer für Pizzareste
Ein Mülleimer für Pizzareste

Besondere Highlights waren u. a. ein internationales Treffen von Birgittaschwestern im September, der

Marmeladenverkauf auf dem Weihnachtsmarkt im Dezember, ein Ausflug mit den Schwestern zum Omberg und ein goldenes Klosterjubiläum, für das Ricarda und ich die Torten backen durften.

Ferner ist mir auch ein Trauerkaffee in Erinnerung geblieben, für das die Familie traditionelle "Smörgåstårtor" (=Sandwichtorten) vorbereitet hatte und ich die Gäste bedienen durfte.

 

Wie vertreibt man sich die Zeit in Vadstena am besten? Das Gästehaus liegt direkt am Vättern, Schwedens zweitgrößtem See, der vor allem im Sommer zum Spazieren, Schwimmen oder Kanufahren einlädt. Wenn gutes Wetter ist, kommen viele Menschen (Einwohner und

Touristen) an den See, um sich zu sonnen, zu schwimmen oder eine Pizza zu essen.

Das Pizzaessen mit Seeblick ist mittlerweile so populär, dass die Stadt im Juni einen Extramülleimer für die zurückbleibenden Pizzakartons aufgestellt hat, da diese zu groß für die normalen Mülleimer sind.

Ein ruhiger Winter

Im Kontrast zu den warmen, hellen und lebhaften Sommertagen gibt es einen sehr ruhigen Winter, wenn nur wenig Touristen kommen und auch die Schweden lieber in ihren Häusern bleiben. In dieser Zeit sind Hobbys besonders wichtig, um sich nicht antriebslos oder einsam zu fühlen. Ich habe in Schweden angefangen, im Kirchenchor zu singen und konnte dadurch auch viele traditionelle schwedische Lieder kennenlernen. Es gibt ein Fitnessstudio und eine Eishalle zum Schlittschuh laufen. Um Profis beim Eislaufen zuzusehen, haben sich auf jeden Fall die Ausflüge nach Linköping ins Eishockeystadion gelohnt. Bei einem Spiel haben wir sogar die Schwedische Nationalmannschaft gesehen.

Weihnachten mit Freunden

Winterlicher Vättern
Winterlicher Vättern

Das erste Mal Weihnachten getrennt von der Familie zu feiern, war auch eine besondere Erfahrung für mich. Doch

zum Glück musste ich diese nicht allein machen. Denn pünktlich zu Weihnachten kamen andere Praktikanten aus

Schweden, Norwegen, Estland, Finnland und sogar Island angereist, um gemeinsam mit uns in Vadstena Weihnachten zu feiern.

 

Dass jeder mit anpackte und mithalf, erleichterte das Zusammensein und so konnten wir eine gemütliche Woche zwischen den Jahren verbringen. Oft saßen wir im Salon des Gästehauses, tranken Tee, aßen Kekse und spielten Karten. Die gemeinsamen Tage gaben uns die Möglichkeit, uns besser kennenzulernen, über Probleme im Auslandsjahr zu sprechen und uns anzufreunden. Zu Silvester sind wir als Gruppe nach Uppsala gefahren und haben nach einem spannenden Krimidinner das Feuerwerk über der Stadt angesehen. Auch das hat sich definitiv gelohnt.

 

Wofür ich im "PiN" besonders dankbar bin, sind die Reisen. Denn immer, wenn Ricarda und ich die Praktikumsstellen der anderen Praktikanten besucht haben, haben wir nicht nur eine Unterkunft sondern gleichzeitig auch die besten Reiseführer für die jeweilige Stadt gefunden. Durch diese Kontakte ergaben sich vorher ungeahnte Möglichkeiten. Als Ricarda und ich mit den Jungs aus Bergen wandern gegangen sind, bot sich uns eine Aussicht wie aus einem Fantasy-Buch. Und das Letzte, womit ich bei meinem Besuch in Estland gerechnet habe, war das Bäumepflanzen mit der Schule, in der die Praktikantinnen in Tartu arbeiten.

Ein besonderes Highlight

Maria, Ricarda und Anna an Midsommar
Maria, Ricarda und Anna an Midsommar

Fast genauso schön war es, unsere neue Umgebung in Schweden, Östergötland, zu erkunden - mit dem Fahrrad,

Bus, Zug oder mit dem Auto, wenn uns mal jemand mitgenommen hat. Vor allem im Mai war es schön, mit den Fahrrädern durch die endlos weiten Felder und blühenden Wiesen zu fahren, vorbei an den typischen roten Schwedenhäusern, die die Landschaft vervollständigen. Auch habe ich mich immer über den Besuch von Familie, Freunden oder anderen Praktikanten gefreut, der uns Abwechslung in den Alltag brachte.

 

Ein besonderes Highlight war das Midsommarfest, bei dem uns Maria aus Uppsala besucht hat. Zusammen haben wir Erdbeertorte gebacken und sind um den Midsommarbaum getanzt. Auch ein Bad im Vättern während des längsten Sonnenuntergangs des Jahres durfte nicht fehlen.

 

Die Gemeinde in Vadstena ist klein, aber sehr freundlich. Jedes Gemeindemitglied bringt sich ein, sei es im Garten, als Organist oder Lektor. Ohne dieses Zusammenspiel würde es nicht funktionieren. Auch wenn viele deutlich älter sind als wir, haben sie sich die Zeit genommen, Ricarda und mich kennenzulernen, uns zu einem Spielenachmittag einzuladen oder mal einen Ausflug zu machen. Diese Offenheit und Herzlichkeit hat nicht nur zum Wohlfühlen, sondern auch zum Kennenlernen der schwedischen Kultur beigetragen. Lille-Mo hat mit uns jede Woche Schwedisch geübt. Ihr verdanken wir aber auch das Wissen über die schönsten Fahrradwege der Gegend.

Eine einzigartige Erfahrung

Ministrieren im Gottesdienst
Ministrieren im Gottesdienst

Die Birgittaschwestern, denen das Gästehaus gehört, leben die meiste Zeit zurückgezogen im Kloster. Wir haben sie aber täglich im Gebet getroffen, das für uns zu jedem Arbeitstag dazugehörte. Am Anfang war es kompliziert, zu verstehen, wann man im Gebetsbuch wohin umblättern musste. Und auch an die Gesänge in altem Schwedisch

musste ich mich erst einmal gewöhnen.

 

Eine ganz andere Erfahrung waren die Gebete der Studentengemeinde Adoray in Linköping, die jeden Mittwochabend stattfinden. Hier habe ich eine wirklich freundliche und offene, internationale Gruppe an Studierenden getroffen. Zuerst wurden in der Kirche englische Worship-Songs gesungen, begleitet von Gitarre und Kachon. Dann hat jemand seine eigenen Glaubenserfahrungen geteilt und es gab eine Anbetung. Schließlich durfte die "Fika" nicht fehlen, um den Abend entspannt ausklingen zu lassen.

Es bleibt nur noch, "Danke" zu sagen.

Am Ende dieser Zeit mit all ihren Höhen und Tiefen, entspannten Nachmittagen und abenteuerlichen Reisen, kann ich nur noch "Danke" sagen. Danke, für all die Menschen, die dieses Jahr für mich unvergesslich gemacht haben! Ich bin dankbar für meine Mitpraktikantin Ricarda, für die Freunde, die wir in Vadstena gefunden haben, für Bibbi, Pater Peter, Lille-Mo und die Schwestern, die uns so freundlich aufgenommen haben.

Was ich vermissen werde? Blumenkränze, rote Häuser, ganz viel Kuchen und noch so viel mehr. Für den Moment bin ich jedoch einfach glücklich, wieder zu Hause bei meiner Familie zu sein und dankbar, für diese wirklich besondere Erfahrung.

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