Nun ist meine Zeit in Estland also schon zu Ende. Ich hätte nicht gedacht, dass die zehn Monate so schnell rumgehen und ich so viel erlebe. Ich habe so viele tolle
Menschen kennengelernt, viele schöne Orte gesehen und viel über mich selbst gelernt.
Ein Jahr für groß und klein
In Tartu war meine Einsatzstelle das katholische Bildungszentrum Tartu. Dort habe ich die ersten Monate nur im Kindergarten gearbeitet und ab Januar dann einen Tag in der Woche in der Schule gearbeitet. In der Schule war von Unterrichtsbegleitung im Deutschunterricht bis hin zu Unterricht selber geben und Klausuren korrigieren alles dabei, aber im Kindergarten war es mindestens genauso abwechslungsreich. Oft durften wir auch mit auf Ausflüge oder für besondere Anlässe und Feste etwas vorbereiten. So backten wir für den Adventsbasar unzählige Lebkuchenmänner oder begleiteten die Kinder aus der
Deutsch-AG zum Musikprojekt "Lautstark".
Im Kindergarten hatte ich viele Aufgaben und half überall, wo ich konnte. Besonders beim Anziehen der Kinder wenn es in den Garten ging, beim Begleiten und Aufpassen auf dem Spielplatz, beim Mittagessen, beim zu Bett bringen oder einfach beim Spielen und den kleinen "Unterrichtsstunden" war meine Hilfe gefragt. Dadurch konnte ich mein Estnisch auch schnell verbessern und wusste immer besser, was die Kinder mir während des Spielens alles erzählten.
Es war immer schön, den Kindern beim Lernen von Lesen, Schreiben oder auch Rechnen zuzuschauen und sie dabei zu unterstützen. Schnell wurde ich Profi in Sachen, welche Socke gehört zu wem und wessen Schlitten liegt noch im Hof. Auch bei den Festen im Kindergarten war ich immer dabei und lernte so viel über die Traditionen und Feste Estlands. In der Grundschule half ich meiner Mentorin bei der Deutsch-AG und leitete mit Marit sogar selbst eine AG.
Ein typischer Tag in der "Teresa Gruppe"
Morgens gab es erstmal für alle Frühstück im Kindergarten. Auch ich durfte mitessen, auch wenn mir der typisch estnische "putru" (Brei) nicht jeden Tag gut geschmeckt hat, aber mit genug Marmelade schmeckt alles besser. Nach kurzem Spielen hieß es dann auch schon: Hommikuring algab - der Morgenkreis beginnt. Dort lernten wir jeden Tag etwas über Tiere, Estland oder einen neuen Buchstaben. Danach wurde entweder gebastelt oder das Schreiben gelernt. Jeden Tag ging es außerdem eine Stunde an die frische Luft. Entweder im Garten des Kindergartens oder auf einem Spielplatz in der Nähe. Danach gab es auch schon Mittagessen und dann hieß für die meisten Kinder: ab ins Bett. Dort half ich beim Einschlafen …Head ööd - Gute Nacht.
Immer viel los
Nach der Arbeit ging es für mich oft zum Sport. Während meiner Zeit in Tartu war ich
oft beim "Barre" in einer nahegelegenen Tanzschule. "Barre" ist eine Mischung aus
Ballett und Pilates und auch, wenn ein Training nur 55 Minuten dauerte, waren Marit
und ich doch ein paar Mal recht fertig danach. Gerne verbrachten wir aber auch
unsere Freizeit am Fluss Emajõgi oder trafen uns mit ein paar Studenten-Freunden,
gingen zu Erasmus-Veranstaltungen oder besuchten am Wochenende Konzerte von
Tartu 2024. Da Tartu Kulturhauptstadt 2024 ist, ist in der Stadt immer viel los und es
gibt eigentlich ständig coole Veranstaltungen. So kam es einmal vor, dass ganz
unerwartet auf einmal Estlands diesjähriger ESC-Act auf der Bühne am
Rathausplatz stand und der gesamte Platz mitgetanzt und gesungen hat.
Ein besonderer Besuch
Neben zahlreichen Veranstaltungen und sportlichen Aktivitäten kamen uns aber auch oft Praktikanten aus den anderen Ländern besuchen, sodass es nie langweilig wurde. Wir verbrachten eine tolle Zeit miteinander und lernten Tartu nochmal von
einer anderen Seite kennen.
Neue Menschen - neue Freunde
Angefangen mit den Herbstferien, haben wir unsere erste Reise zu Friederike nach
Kopenhagen gemacht. An Weihnachten in Schweden haben wir die anderen PiN's
dann viel besser kennengelernt und viele neue Freundschaften geschlossen. Das hat uns ermöglicht, in den letzten Monaten jeden freien Tag zu nutzen, um noch
mehr vom Norden zu erkunden. Mitte Februar waren wir für meinen Geburtstag in
Stockholm und haben dort mit Robert und Zorah meinen Geburtstag gefeiert.
Zwei Wochen später waren in Estland Winterferien, die wir mit einer kleinen Rundreise in
Norwegen verbrachten. Zuerst waren wir bei den Praktikanten in Trondheim, dann
ging es zu Zorah nach Oslo und zum Abschluss nach Bergen. Es hätte
wahrscheinlich auch niemand von uns gedacht, dass bei unseren knappen
Planungen alles so reibungslos klappt.
Über die Ostertage (in Estland ist nur am Karfreitag frei) sind wir mit der Fähre nach
Helsinki gefahren, haben dort etwas die Stadt erkundet und sind dann mit dem Bus
weiter nach Turku gefahren, um die beiden Praktikantinnen dort zu besuchen und
die finnische Osternachtsmesse mitzuerleben. Da habe ich dann auch die erste
Mundkommunion meines Lebens erhalten, was eine interessante Erfahrung war, die
ich aber glaube ich erstmal nicht wiederholen muss.
Ein Reisehighlight war aber natürlich unsere Reise nach Island. Dort haben wir gemeinsam mit Zorah mit einem kleinen Mietwagen erst Sophia und dann Malte besucht und sehr viel von Island sehen dürfen. Island war für uns wie eine andere kleine, aber wunderschöne Welt und eine unfassbare Reise, die wir so nicht vergessen werden.
Als kleiner Abschluss ging es für Marit und mich noch übers Wochenende nach Riga.
So lernten wir auch das Baltikum noch etwas besser kennen. Ich hätte nie gedacht, dass ich es in den zehn Monaten schaffen würde, alle Einsatzländer und fast alle Einsatzstellen bereisen zu können und bin sehr dankbar für die tollen Erlebnisse.
(M)ein Highlight: Polarlichter!
Drei Mal ist es uns gelungen, in Estland Polarlichter zu sehen. Beim ersten Mal
waren sie nur recht schwach aus einem Bus heraus zu sehen, was für uns aber nicht
schlimm war, da wir nicht damit gerechnet hatten, in Estland überhaupt welche zu
sehen. Deshalb war ich ganz aufgeregt, als wir das zweite Mal die Chance hatten
und sind direkt in warme Klamotten geschlüpft und raus zum Flussufer des Emajõgi, um uns die Polarlichter anzusehen.
Zwischen den beiden Malen waren wir zwar oft auf der Jagd, hatten aber immer Pech, weshalb ich mich umso mehr freute, als es zum dritten Mal hieß: Achtung, Polarlichter am Himmel. Und das hatten wir uns wirklich nicht erträumt. Dieses Mal waren sie so intensiv, dass man sie sogar mit bloßem Auge sehen konnte und so kam es, dass ich zwei Stunden draußen stand und nicht gehen wollte, weil es so schön aussah.
Ein schwerer Abschied
Doch irgendwann hat alles Schöne ein Ende und so hieß es für uns Ende Mai das
erste Mal: Abschied nehmen. Wir hatten so viele Menschen, von denen wir uns
verabschieden wollten, dass wir sogar einen Kalender an die Wand hängten, wo alle
Termine drauf standen, damit wir bloß nichts und niemanden vergessen. Wir backten
viele Kuchen und bereiteten viel für unsere Abschiede vor, weshalb wir noch gar
nicht so richtig realisierten, dass es nun wirklich zu Ende geht.
Besonders der Abschied im Kindergarten fiel mir schwer, da ich mich immer besser mit den Kindern und den Erzieherinnen unterhalten konnte, das Wetter immer schöner wurde und wir
viel Zeit draußen verbrachten und Sandkuchen backten oder Lieder sangen. 10 Monate durfte ich die Kleinen beim Großwerden begleiten und nun Tschüss zu sagen, fiel uns allen schwer. Auch einige Eltern bedankten sich bei mir und ich freute mich sehr, wenn sie mir sagten, dass sie sehen, dass die Kinder mich mögen und mich vermissen werden.
Das letzte "Ilusat päeva" (Schönen Tag noch) viel dementsprechend schwer, aber es war eine wundervolle Zeit und ich habe mich immer sehr wohl und willkommen gefühlt.
Die letzten zehn Monate waren eine sehr tolle und prägende Zeit mit vielen unvergesslichen Erinnerungen und bereichernden Erlebnissen und vielen tollen Menschen. Es ist ein lachendes und ein weinendes Auge, was auf meine Zeit zurückblicken wird, denn ich vermisse die Menschen und das Land jetzt schon, habe aber so tolle Erfahrungen gemacht, an die ich mich immer gerne erinnern werde.
Aitäh toreda aja eest! - Danke für die schöne Zeit!