So richtig begreifen konnte ich es noch nicht, als ich mich am 26.04 von meiner Einsatzstelle endgültig verabschieden musste, dass meine Zeit hier jetzt wirklich zu Ende ist. Vor 8 Monaten ging mein Zug nach Kopenhagen, vor 8 Monaten bin ich zum ersten Mal von zu Hause ausgezogen und 8 Monate lang habe ich nun in der dänischen Hauptstadt gelebt.
Alltag in der Grundschule
Mein Alltag sah dabei zumindest unter der Woche oftmals ähnlich aus. Jeden Morgen klingelte um 06:30 Uhr mein Wecker und ich musste aufstehen und mich fertig machen. In unserer Gemeinschaftsküche traf ich meistens morgens niemanden an, da meine Mitbewohner*innen alles Student*innen sind und ich diese um diese Uhrzeit nur zu Gesicht bekommen habe, wenn irgendwas besonderes anstand. Nach meinem ersten Kaffee ging es für mich in die 10km weit entfernte Stadt Lyngby, einem Vorort von Kopenhagen, wo meine Einsatzstelle liegt. Bei gutem Wetter bin ich den Weg gerne mit meinem Rennrad gefahren und bei schlechterem Wetter, besonders in den Wintermonaten, nahm ich den Bus. Von 08:00 bis 14:00 Uhr war ich dann meistens am Arbeiten in meiner Einsatzstelle, der Sankt Knud Lavards Skole, einer dänischen Grundschule.
Das dänische Schulsystem
Im dänischen Schulsystem geht die Grundschule von der 0. Bis zur 9. Klasse und darauf folgt entweder eine Ausbildung oder das Gymnasium. So werden die Schüler*innen noch nicht so früh in Leistungsklassen eingeteilt und haben deutlich länger Zeit ihre Stärken und Schwächen ausfindig zu machen. Die Sankt Knud Lavard Skole ist eine sehr kleine katholische Grundschule mit lediglich einer Klasse pro Jahrgang, sprich 10 Klassen an der ganzen Schule. Dadurch war das ganze Schulklima super familiär, jeder kennt jeden und jeder grüßt auch jeden, egal ob in der Klasse oder einfach auf dem Schulhof.
Besondere Momente
Besonders ans Herz gewachsen ist mir dabei die 6. Klasse, die ich im Deutschunterricht unterstütze, als auch die Kindergartenklasse, die "0.", mit denen ich über die acht Monate hinweg den Zahlenraum 0-20 und das dänische Alphabet erlernte. Die Kinder der Kindergartenklasse ermöglichten es mir zudem sehr schnell dänisch zu verstehen als auch zu sprechen, denn Kindern ist es ziemlich egal, dass ihnen gesagt wird „Friederike kommt aus Deutschland und kann noch kein dänisch“- sie kommen trotzdem mit all ihren kleinen Problemen und Fragen auf einen zu und erwarten dementsprechend auch eine Antwort. So junge Kinder verurteilen einen zudem auch nicht, wenn etwas falsch ausgesprochen oder ein falscher Ausdruck verwendet wird und sie können auch nicht direkt ins Englische wechseln, wie viele Erwachsene es tun. Dadurch wurden die sieben Jahre an erlerntem Französisch in ungefähr zwei Monaten vollständig durch die dänische Sprache ersetzt.
Dänisch als Gemeinsamkeit
Neben der Kindergartenklasse verbrachte ich sehr viel Zeit mit drei ukrainischen Kindern und unterstützte diese zusammen mit der Deutschlehrerin Monica wöchentlich 10 Stunden im Dänisch-Förderunterricht. Als ich im September nach Kopenhagen kam, konnte ich selbest kein Wort dänisch und später half ich anderen die Sprache zu lernen. Monica meinte in einer der Stunden nur „Åh, hvor dejligt, en tysker og en ukrainer, og de taler dansk“ („Ach wie schön, eine Deutsche und ein Ukrainer und sie unterhalten sich auf dänisch“). So habe ich über die Zeit eine sehr enge Bindung zu diesen drei Kids aufgebaut, besonders zu einem Mädchen, welchem ich dabei geholfen habe, lesen zu lernen und das auch noch auf der ihr fremden Sprache dänisch. Aber auch Monica wurde schnell eine sehr enge Kontaktperson für mich, die mir immer, egal bei was, zur Hilfe stand.
Freizeitgestaltung in Dänemarks Hauptstadt
Nachmittags hatte ich immer frei und konnte diesen demnach gestalten, wie ich wollte. So war ich sehr viel in Kopenhagen unterwegs, am liebsten mit dem Fahrrad, hab mich mit meiner besten Freundin getroffen, neue Cafés und Bars ausprobiert oder Sport gemacht. Bis Februar hatte ich zudem noch zweimal die Woche dänisch und konnte den Kurs dann mit zwei bestandenen Prüfungen erfolgreich abschließen. Abends kochte ich meistens mit meiner WG zusammen, beziehungsweise kamen sie meistens, wenn ich schon am Essen war und haben dann angefangen zu kochen - Wow essen Portugies*innen spät. Zusammen haben wir den Tag auf dem Sofa ausklingen lassen, manchmal Filme geguckt oder einfach nur geredet.
Die Wochenenden haben wir natürlich mit dem Ausprobieren der vielen süßen kleinen dänischen Bars verbracht und uns dort auch das ein oder andere dänische Bier schmecken lassen (das Beste ist Tuborg).
Meine persönliche Weiterentwicklung
Meine Hauptmotivation für das Praktikum im Norden war es, mein Jahr zwischen Abitur und Studium irgendwie sinnvoll zu nutzen, mich dabei weiterzuentwickeln und einfach eine gute Zeit zu haben. Zum ersten Mal von zu Hause und von den Freund*innen wegziehen, zum ersten Mal für sich selbst sorgen müssen, zusammen mit anderen in einem Studentenwohnheim leben, die Lehrerrolle einnehmen und sich dabei noch auf einer völlig fremden Sprache zu verständigen - all das waren Herausforderung, die mich tagtäglich und besonders zu Beginn meines Praktikums begleiteten. All diese Herausforderungen haben aber auch dazu geführt, dass ich mich persönlich in diesen acht Monaten immens weiterentwickeln konnte, viel selbständiger und unabhängiger geworden bin und darüber hinaus Freunde gefunden habe, mit denen ich auch so noch sehr lange in Kontakt bleiben werde. Dafür bin ich unfassbar dankbar, denn genau diese Leute hätte ich sonst vermutlich niemals kennengelernt.
Abschied nehmen ist schwer!
Eine weitere große, wenn nicht die größte Herausforderung war für mich persönlich der Abschied. Nicht nur der Abschied von meinen Freund*innen, mit denen ich fast jeden Tag für acht Monate verbracht habe, auch von meiner Einsatzstelle. Der Abschied von Monica und den Kids, deren Entwicklung ich über so eine lange Zeit jeden Tag miterleben durfte, wovon mir ein paar auch echt ans Herz gewachsen sind, war schwer. Meine Mitbewohnerin meinte immer schon zu mir "You talk of them if they were your own kids". Aber natürlich auch der Abschied von Kopenhagen als wunderschöne Stadt an sich, mit ihren tausend Möglichkeiten, den vielen Cafés, der Nähe zum Meer und den vielen Fahrrädern.
Wenn Herausforderungen zu Highlights werden...
Meine Herausforderungen wurden über die Zeit aber auch irgendwie zu meinen persönlichen Highlights des Aufenthaltes, denn immerhin kann ich jetzt fließend dänisch sprechen, habe es geschafft alleine in ein anderes Land zu ziehen, hatte `ne mega Zeit in meiner Einrichtungsstelle und habe richtig, richtig gute neue Freunde kennengelernt. Und all das vermisse ich schon jetzt mehr als stark und freue mich bereits auf meinen nächsten Besuch in der dänischen Hauptstadt, welcher schon für Juni vorgesehen ist. Ein weiteres Highlight war die Weihnachtszeit in Kopenhagen mit all den wunderschönen Lichtern, den vielen unterschiedlichen Weihnachtsmärkten und der dänischen Hygge. Im März habe ich meine Schwester in Stockholm besucht, was ebenfalls eins meiner Highlights war, denn so habe ich nicht nur den dänischen Frühling, sondern auch einen Hauch des schwedischen Frühlings miterleben können.
Wie es für mich weiter geht
Nun steht die Bewerbung für ein Studium an. Würde es in Kopenhagen nicht nur Master- sondern auch Bachelorstudiengänge auf Englisch geben, wären diese auf jeden Fall in meine engere Auswahl gekommen. So begrenze ich mich jedoch auf Deutschland. Ich habe über die acht Monate gemerkt, dass viele Kinder mit ihren Problemen, wenn es ihnen nicht gut ging oder irgendwas passiert ist, zu mir gekommen sind und mich um Hilfe baten. Auch meine Kolleg*innen meinten, dass die Kinder sich bei mir wohlfühlen und sich bei mir öffnen und das trotz der Sprachbarriere. Das war der letzte Auslöser für meinen davor bereits bestehenden Wunsch Psychologie zu studieren, diesen auch zum Wintersemester hoffentlich in die Tat umsetzen zu können und mich dabei vielleicht irgendwann mal auf Kinder zu spezialisieren.
Sollte dies in diesem Jahr noch nicht klappen, könnte ich mir auch sehr gut vorstellen für ein weiteres Jahr nach Kopenhagen zurückzukommen, um dort erstmal zu arbeiten und um wieder vor Ort sein zu können. Ich bin super dankbar für alles, was ich in meinen acht Monaten erleben durfte, was ich dazu gewonnen habe und für die Menschen, die ich kennengelernt habe.
Kopenhagen, vi ses og jeg kommer tilbage!