Der Schnee fiel und fiel und fiel. Und mit jedem vergangenen Wintertag drang die Erkenntnis mehr in meinen Kopf vor, dass ich wirklich schon fast sechs Monate aus Erfurt weg bin.
Irgendwie fühlt es sich sehr surreal an, dass 2022 schon wieder vorbei sein soll. Gefühlt war gerade erst Januar, vor nicht langer Zeit mein Geburtstag im März, die Abi-Prüfungen und der Abschlussball. Aber es ist fast Februar 2023.
Dass das tatsächlich Wirklichkeit ist, zeigten mir das gezuckerte Riga, der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt - der sogar fast genauso geschmeckt hat wie daheim -, die Zahlen auf meinen Adventskalendertürchen und zuletzt die Neujahrswünsche.
Wir sagen euch an den lieben Advent…
Dieses Lied haben Jola und ich jeden Sonntag gesungen, wenn wir eine neue Kerze des improvisierten Adventskranzes angezündet haben. Das hat dabei geholfen, in weihnachtliche Stimmung zu kommen, genau wie in unseren Einsatzstellen.
In der warmen Kerzenwerkstatt fühlt es sich sowieso immer nach Weihnachten an und wenn ich im Dezember dort saß und nach draußen blickte, überkamen mich auch passend die winterlichen Gefühle, denn die Welt war weiß.
Im Nachmittagszentrum für Kinder und Jugendliche mit autistischen Störungen haben wir zweimal Butterplätzchen und einmal Lebkuchen gebacken. Dabei haben Jola und ich Lieder wie "Maria durch ein Dornwald ging" gesungen und uns so in Adventsstimmung gebracht – auch wenn durch diese Ablenkung einmal ein Blech mit Pfefferkuchen verbrannt ist.
Und in der katholischen Schule waren alle Klassenzimmer mit Papierschneeflocken, Adventskränzen und Lichterketten geschmückt. Auch die Rigaer Innenstadt war weihnachtlich dekoriert und die vielen Lichter haben sehr über die Dunkelheit hinweg getröstet, genauso wie das Plätzchenbacken mit Schwester Hannah zu Hause im Kloster.
Weihnachten in der Fremde
Hier habe ich zum ersten Mal Weihnachten ohne meine Familie gefeiert und ich muss sagen, dass das schon ein sehr komisches Gefühl war. Am Heiligen Abend sind die weihnachtlichen Gefühle bis zur Christmesse ausgeblieben und leichtes Heimweh hatte meine Stimmung getrübt.
Aber als dann am Ende der Christnacht Oblaten mit den anderen Gottesdienstbesuchern gebrochen und sich liebe Dinge gewünscht wurden – abhängig vom Gesprächspartner auf Lettisch, Russisch, Deutsch oder Englisch – habe ich mich hier im Kloster wieder sehr Zuhause gefühlt. Das Abendessen mit den Schwestern und Jola hat ebenfalls den Eindruck vertrieben, am falschen Ort zu sein - so wie die beiden Weihnachtstage, die wir mit Freund:innen verbracht haben.
Sonne tanken
Am 31. Dezember sind Jola und ich dann nach Malta geflogen. Über eine Schwester, die viel in der internationalen Gemeinde arbeitet und ursprünglich von den Maltesischen Inseln kommt, haben wir eine sehr günstige Unterkunft gefunden. Wir brauchten einfach mal so richtig Urlaub und nach 2,5 Monaten Dunkelheit auch Sonnenlicht. Zehn Tage lang war unser Aufenthalt in Malta und die langen Spaziergänge und Vormittage auf der sonnenbeschienenen Terrasse haben meiner Seele echt gut getan - genauso wie das leckere Eis und die maltesische Spezialität "Pastizzi" (gefüllte Blätterteigtaschen).
Mit neuer Kraft voran
Die Umstellung auf drei Stunden weniger Sonnenlicht und 15 Grad kältere Temperaturen fiel mir erstaunlich leicht. Nach einem eher verregneten Dezemberende lag nämlich Anfang Januar wieder Schnee in Riga. Über den konnte mich mich nach den warmen Tagen in Malta so richtig freuen!
Außerdem entdecken wir jetzt aktuell neue Einsatzstellen. Ende Januar haben wir beispielsweise angefangen eine der Bibliotheken des Theologischen Instituts hier in Riga zu katalogisieren. Diese Aufgabe wird allerdings noch etwas Zeit brauchen, denn die Sprachen dort sind vielfältig (lettische, russische, deutsche, englische, polnische, kroatische, hebräische, griechische, lateinische und italienische Bücher haben wir bisher gefunden) und so muss die Tastatur am Laptop immer wieder neu angepasst werden.
Etwas anderes was mir gerade Kraft gibt ist, dass ich bald Besuch aus Deutschland bekomme. Kurz nacheinander werde ich meine Schwestern und meine beste Freundin sehen. Dieser Gedanke tut echt gut, schließlich ist es nun schon ein halbes Jahr her, dass ich diese Menschen mal so richtig fest drücken konnte.
Die Zeit hier in Riga wird also nicht langweilig und ich freue mich schon sehr auf alles, was die nächsten Monate noch für mich bereit halten.