"Wage es", unter diesem Motto bin ich meinen Freiwilligendienst in Estland angegangen. Und so habe ich es gewagt und bin Ende August zusammen mit meiner Mitpraktikantin Aika nach Estland geflogen – einem Land, von dem ich bis dahin vom Hörensagen nicht mehr wusste, als dass es wohl vor allem landschaftlich "sehr schön sein soll". Aber genau das hat es für mich auch so spannend gemacht.
Kurz nachdem ich in Estland angekommen war, ging auch schon mein Arbeitsalltag im katholischen Bildungszentrum hier in Tartu los. Dort arbeite ich vormittags in einem Kindergarten und nachmittags an einer Schule.
Mein Praktikumsalltag
Innerhalb der ersten Tage musste ich feststellen, dass sich mein Leben nun um 180° drehen und ein paar Hürden für mich bereit halten würde. Ich bin zwar, wie zuvor als angehende Abiturientin, noch jeden Tag in der Schule, allerdings stehe ich nun als Lehrerin auf der anderen Seite. Somit war es durchaus ungewohnt, als ich das erste Mal mit "õpetaja" (Lehrerin) angesprochen wurde. Auch im Kindergarten lernte ich es sehr schnell, mich mit "Händen und Füßen" zu verständigen, da die 2-3 jährigen Kinder offensichtlich noch kein Englisch sprechen und mein Estnisch natürlich auch bislang nicht ausreicht, um mich wirklich mit den Kindern unterhalten zu können.
Mittlerweile habe ich allerdings auch die überlebenswichtigsten Wörter, wie "ära tee" (mach das nicht!), "istu palun" (setz dich bitte) oder "pissile" (wenn die Kinder auf die Toilette gehen sollen) gelernt und die Kinder scheint es nicht sonderlich zu stören, dass ich ihnen auf die meisten Fragen nicht richtig antworten kann. Sie versuchen es nämlich trotzdem jeden Tag aufs Neue mit mir zu reden und irgendetwas zu erzählen, von dem ich das Meiste immer noch nicht wirklich verstehe. Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten muss ich allerdings sagen, dass ich mich sehr wohl und gut aufgehoben bei meiner Arbeit fühle! Dies liegt vor allem an dem sehr herzlichen Umgang, den die Mitarbeiter*innen im Kindergarten pflegen.
Tartu – eine Stadt voller Leben
Abseits der Arbeit im katholischen Bildungszentrum kann man in Tartu so einiges erleben. Ich habe beispielsweise nicht schlecht gestaunt, als ich auf dem Weg von einem Straßenfestival nach Hause auf dem Rathausplatz stand und dort plötzlich eine Live-Oper gespielt wurde. So etwas war ich bis dahin als "Kleinstadtmensch" auf jeden Fall noch nicht gewohnt. Tartu bietet als Studentenstadt auch viele Möglichkeiten mit Leuten aus verschiedensten Kontinenten in Kontakt zu treten sowie auf Festivals und andere Events zu gehen oder in zahlreichen Cafés und Restaurants einzukehren. In Tartu ist wirklich immer etwas los!
Reisen durch Estland und das Baltikum
Schon in den ersten zwei Monaten haben meine Mitpraktikantin Aika und ich die Zeit genutzt, um in Estland herumzureisen. Und ja, wir haben dabei sofort festgestellt, dass Estland viel mehr ist, als „nur” das kleinste Land des Baltikums und so einiges zu bieten hat: Wir sind bereits durch die kleinen Gassen der Talliner Altstadt geschlendert, in der unberührten Natur gewandert und konnten auch noch einen sonnigen Tag in Pärnu verbringen und dort im Meer schwimmen, bevor wir dann vom plötzlichen Wetterumschwung am 1. September?! überrascht wurden: In einem Augenblick waren es noch 30°C und nach zwei Tagen dauerhaften Regens plötzlich nur noch 10°C. Auf einen so frühen Winteranfang waren wir dann doch nicht eingestellt! Aber man gewöhnt sich irgendwie an alles.
Des Weiteren bieten auch Schulausflüge uns die Möglichkeit, immer mehr vom Land zu entdecken. So konnten wir zum Beispiel die atemberaubenden Moorlandschaften in den Nationalparks bewundern, in denen selbst Temperaturen unter 10°C die Schüler*innen nicht davon abgehalten hat, schwimmen zu gehen – Aika und mir war es dafür dann allerdings doch ein bisschen zu kalt.
Auch zwischen den baltischen Ländern ist das Reisen wirklich sehr einfach und preisgünstig. Deswegen haben wir schon einen Wochenendtrip nach Riga gemacht und dort zwei Mitpraktikantinnen besucht.