Wie sehr mich das Leben in Estland schon verändert hat, bemerke ich erst, als ich mich in den Herbstferien dazu entscheide, eine Freundin in Litauen zu besuchen.
Die sonst alltäglichen Floskeln wie "Tere!" (dt. Hallo) oder "Aitäh" (dt. Danke) finden hier keine Verwendung, aber sie liegen mir ganz automatisch auf der Zunge. Trotz meiner Bemühungen rutschen mir hier und da immer wieder estnische Wörter heraus.
Holprige Ankunft
Nach einer etwas chaotischen Anreise, bei der wir mit kurzen Umstiegszeiten, falsch programmierten Schlüsselkarten und dem estnischen Nahverkehr zu kämpfen hatten, sind wir dennoch gut in Tartu angekommen. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten haben wir uns innerhalb der letzten 10 Wochen gut eingelebt. Nun kennen wir die günstigsten Supermärkte und die schönsten Cafés in Tartu. Und auch mit dem estnischen Kopierer stehe ich nur noch selten auf Kriegsfuß.
Die Arbeit beginnt
Auch bei der Einsatzstelle habe ich mich gut eingefunden. Direkt zu Anfang wurde ich allerdings erst einmal ins kalte Wasser geworfen. Direkt am dritten Arbeitstag wurde mir kurzer Hand eine Vertretungsstunde zugeteilt, die ich jedoch mehr oder weniger gemeistert habe. Ansonsten ist mein Aufgabenbereich sehr weit gefächert. Schülerinnen helfen, Spiele basteln, einscannen, unterrichten oder auch Mal eben modeln, um den Schülerinnen spielerisch das Vokabular für Kleidung beizubringen - jeder Tag sieht anders aus.
Kulinarische Herausforderung
Obwohl die Schwerpunkte der estnischen Küche der deutschen sehr ähnlich sind, könnte es trotzdem nicht unterschiedlicher sein. Brot, Fleisch, Kartoffeln und sogar Malzbier sind sehr präsent. Und doch ist vieles anders. Die Esten lieben Kümmel! Somit enthält ziemlich jedes dunkle Brot eine starke Kümmelnote. Die estnische Liebe zu Brot übertrifft sogar die deutsche. Auch beim warmen Mittagsessen steht immer ein Brotkorb auf dem Tisch und mein persönliches Highlight ist der süße Brotpudding (est. leivasupp).
Wegen des nördlichen Klimas kommt es auch dazu, dass Kartoffeln und rote Beete sehr beliebt sind. Wer also auf deftige Kost steht, ist im Baltikum gut aufgehoben. Ein Problem haben wir aber schon - Vegetarier sind ein seltenes Phänomen und deshalb ist das Essen in der Mensa eher einseitig für uns. Dafür nutzen wir aber die Wochenenden umso mehr und benutzen den schuleigenen Raum für die Kochstunden.
Gottes Schöpfung bewundern
In meiner Freizeit genieße ich häufig zusammen mit meiner Mitpraktikantin Imke die kurzen Wege im Baltikum. Ob im Moor wandern oder einen Stadtbummel in Tallinn zu machen, innerhalb von drei Stunden kommt man in Estland eigentlich überall hin. Auch die Herbstferien in der letzten Oktoberwoche nutze ich aus, um nicht nur Litauen, sondern auch Lettland zu besuchen. Dort habe ich die Praktikantinnen Jolanthe und Martha in Riga, und später auch noch mit Imke, besucht. Trotz des relativ schlechten Wetters konnte ich Riga umfassend erkunden. Gezwungenermaßen sind wir deswegen auch zu Experten rund um Rigas Museen und Cafés geworden.