Für insgesamt 10 Monate bekam ich die Möglichkeit, nach Nordeuropa zu ziehen, um dort meinen Freiwilligendienst zu absolvieren. Ende August 2021 ging es los nach Schweden, um dort in Uppsala, gegenüber vom Newmaninstitut in der Slottsgränd 5 zu wohnen. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, kommen eine Menge Erinnerungen hoch. Mir fallen so viele Erlebnisse und Abenteuer ein, die ich hier erlebt habe. Dieses Jahr war so intensiv und prägend, wie nie zuvor.
Von Naps im Pendeltåg
In den ersten Wochen war alles aufregend: so viele neue Menschen, zwei neue Arbeitsplätze, ein neuer Alltag, eine neue Kultur.
Ich weiß noch, dass ich anfangs jeden Morgen auf dem Weg zu einer meiner beiden Arbeitsstellen, der Caritas, im "Pendeltåg" (unserem täglichen Verkehrsmittel nach Stockholm) eingeschlafen bin, einfach aus purer Erschöpfung.
Diesen morgendlichen "Nap" habe ich aber weiterhin beibehalten, ein Teil meiner Tagesroutine :)
Von einem wunderbaren Land
Schweden hat mich von Anfang an fasziniert. Dieses Zelebrieren der kleinen Dinge im Leben wie beispielsweise die tägliche "Fika", die wunderbar vielseitige Natur, die Wertschätzung und Mitnahme von allerlei Traditionen (davon gibt es viele in Schweden) und vieles mehr ließen mich immer mehr in dieses Land verlieben.
In Deutschland beschäftigt man sich viel mit dem Leben anderer Menschen. Man "tratscht", und anstatt über seine eigenen Probleme zu reden, beschäftigt man sich lieber mit denen anderer. In Schweden lebt man vielmehr nach dem Motto: "Leben und leben lassen".
In den ersten vier Monaten hatten wir Praktikantinnen und "Erasmus-Studis" zweimal wöchentlich einen Schwedisch-Kurs am Newmaninstitut, der mir sehr dabei half, meine ersten Sprachkenntnisse zu festigen und meine Liebe für die schwedische Sprache und Kultur weckte. Obwohl ich in meinem Arbeitsumfeld viel Englisch und Deutsch sprach, merkte ich doch gerade zum Ende hin, dass ich immer mehr Schwedisch verstand und sich mein Wortschatz sprunghaft erweiterte.
Von dem vielen Kuchen am Newmaninstitut
Meine Hauptarbeitsstelle war das Newmaninstitut in Uppsala. Da es sich genau gegenüber von unserer WG befand, war der Arbeitsweg schön kurz. Immer montags und dienstags verbrachte ich dort gemeinsam mit meiner Mentorin Ricarda den Arbeitstag. Mit ihr konnte ich mich über alles Mögliche austauschen, sie stand immer mit Rat und Tat zur Seite, was meinen Arbeitsalltag ungemein erleichterte. Ricarda ist eine für mich sehr inspirierende Person, die mit ihrer klugen, selbstbewussten und herzlichen Art mehr als nur Mentorin für mich war.
Es war spannend, das erste Mal in einem Unternehmen mitzuarbeiten, aber gerade zu Beginn schon auch herausfordernd.
Was wird erwartet, was muss wie kommuniziert werden, wer im Haus ist für welche Aufgaben zuständig?… Diese und weitere Grundlagen mussten erstmal ertastet und erlernt werden. Generell war das "Newman" ein vielseitiger Arbeitsplatz, von täglichen Aufgaben wie Post sortieren, das Putzen der Gästezimmer und der Instandhaltung des Cafés, bis zu besonderen Tätigkeiten wie Kuchen vorbestellen, war alles dabei! Kuchen wurde oft besorgt, denn die Schweden lieben Geburtstage und Gebäck. Gerade die kreativen Aufgaben wie das Dekorieren für gewisse Anlässe bzw. Feierlichkeiten oder das "Decluttering" eines ganzen Zimmers haben mir großen Spaß bereitet. Für genauere Infos zu den Aufgaben kann ich nur das Video Arbeitsalltags am Newman empfehlen.
Von einem Ort, der vor Hoffnung sprüht
Meine zweite Arbeitsstelle war die Caritas Mötesplats in Stockholm. Ricarda hatte uns Praktikantinnen in Uppsala vor der Abreise gefragt, welche Arbeitsstelle wir uns zusätzlich zum Newmaninstitut vorstellen könnten. Zur Auswahl stand der Kindergarten, der katholische Buchladen und die Caritas.
Ricarda beschrieb die Caritas als einen sehr warmen und besonderen Ort. Von Tag eins an wurde ich als vollwertiges Mitglied der Caritas aufgenommen. Sowohl Marie und George, meine "Chefs" dort, als auch die anderen Volontäre und natürlich alle Gäste waren so herzlich und täglich inspirierend. Auf so vielen Wegen. Zusätzlich hatte ich die besten Arbeitskollegen/innen die man sich wünschen kann, Achim, Sarah und Fabia. Unsere Gespräche über Gott und die Welt (im wahrsten Sinne des Wortes) werde ich nie vergessen, genauso wenig wie unsere täglichen Ausflüge zu Lidl.
Frei gestalten können
Generell wurde uns Praktikant/innen sehr viel Freiraum gelassen; wir durften sowohl entscheiden, was "gekocht" wird (wir variierten unter anderem mit Waffeln, Crêpes, Donuts, Tortillas und natürlich Sandwiches), als auch Ideen für besondere Events wie zum Beispiel einen Kino-Tag mit einbringen. Stets wurden wir in alle Planungen mit einbezogen. Meine Hauptaufgabe dort bestand aus der Zubereitung der morgendlichen Fika vor dem täglichen Schwedisch-Unterricht und der des Lunches danach. Wir gingen fast täglich einkaufen, so groß war der Andrang nach einer Brotzeit, bei der man nicht nur ein hausgemachtes Sandwich genießen, sondern sich auch mit anderen austauschen und entspannen konnte.
Gutes tun und helfen
Aber, das mit Abstand Wichtigste war der Austausch mit den Menschen dort. Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verließen, um jetzt in Schweden ein neues Leben zu beginnen. Und hier oft mit einigen Problemen konfrontiert sind. In der Caritas wird ihnen so gut es geht geholfen, mit einem offenen Ohr, aber auch tatkräftiger Unterstützung für ein besseres Leben.
Gerade, da viele illegal in Schweden leben, ohne Papiere und Arbeitserlaubnis, werden sie in der Caritas dabei unterstützt, ihr Visum zu erhalten, um in Schweden arbeiten zu können. Ich durfte ein Teil davon sein und konnte Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen kennenlernen und ihren persönlichen Geschichten zuhören, die teilweise sehr tragisch waren.
Die Caritas jedoch ist ein Ort der Hoffnung, ein Ort des Miteinanders, ein Ort voller Menschlichkeit. Die Stimmung lässt sich schwer in Worte fassen, eigentlich muss man dort gewesen sein, um zu verstehen, wie besonders dieser Ort ist.
Von einer gut genutzten Freizeit
Obwohl die Arbeit ein großer Teil der Zeit ausmachte, schöpften Anna, Theresa und ich unsere Freizeit voll aus. Gerade in den ersten Monaten war jedes Wochenende verplant mit Reisen; sowohl in andere Regionen Schwedens wie Rättvik, Vadstena, Göteborg oder Kiruna, aber auch ins Ausland wie zum Beispiel nach Bergen in Norwegen, nach Tallinn in Estland oder Kopenhagen.
Wir besuchten andere Praktikannt/innen, mit denen wir uns auf Anhieb gut verstanden, und erkundeten gemeinsam neue Städte. Diese Kurztrips waren von Uppsala aus sehr gut möglich, da es in Skandinavien einfach schön zentral liegt.
Von zwei wunderbaren Menschen
Eine meiner zwei Mitpraktikantinnen, Anna, hat die besondere Gabe eine fantastische Reise-Organisatorin zu sein, und ich könnte mir generell keine besseren Mitreisenden als sie und Theresa vorstellen. Es hat zwischen uns einfach von Anfang an gepasst. Dafür bin ich sehr dankbar. Zu dritt ist es oft nicht einfach, eine Balance zu finden, so dass sich jeder gleichermaßen gehört und wertgeschätzt fühlt. Ich glaube eine unserer großen Stärken war die Kommunikation.
Gab es irgendwelche Unstimmigkeiten, wurden diese sofort angesprochen und behandelt. Durch diesen ehrlichen und offenen Umgang miteinander waren wir ein gutes Team. Bereits nach wenigen Tagen in Schweden fühlte es sich so an, als würde ich die beiden schon viel länger kennen. Ich bin unglaublich froh, diese Erfahrung mit Anna und Theresa geteilt zu haben.
Von einem weiteren Schritt aus meiner Komfortzone
Nachdem Anna und Theresa beide jedoch relativ zeitnah nacheinander Ende Februar/Anfang März abreisten, musste ich anschließend erstmal lernen, alleine klar zu kommen. Zu Beginn war das ungewohnt, aber ich muss sagen, es kam genau richtig so. Ich konnte völlig frei Entscheidungen treffen, den Alltag nach meinen Vorstellungen gestalten. Ein weiterer Schritt aus meiner Komfortzone, genau zum richtigen Zeitpunkt. Und ich war nicht allein. Ich hatte so ein schönes Umfeld bestehend aus Ricarda, Fabia & Achim und der WG, welches mir das Leben "alleine" erleichterte.
Von einer mit Gelächter gefüllten Küche
Die WG war ein weiterer besonderer Teil meiner Zeit. Wir wohnten gegenüber des Newmaninstituts in einem Art Mini-Wohnheim gemeinsam mit Erasmus-Studierenden. Die WG war keine feste Gruppe, vielmehr wandelte sie sich ständig, neue Menschen kamen und andere gingen. Wir waren bis zu acht Personen und teilten uns eine große Küche. Vor allem geliebt habe ich die gemeinsame Zeit in diesem Raum. Egal wann man die Küche betrat, es dauerte nie lang und man war nicht mehr allein. Und dann kochten wir gemeinsam, aßen zusammen, spielten Kartenspiele, schauten Filme und redeten. Ab Februar begannen wir, mehr zusammen zu unternehmen.
Von einem Land und seinen besonderen Menschen
Brunchen, Second-Hand Shoppen, feiern gehen, Gartenpartys und Movie-Nights fanden statt und das Highlight, der gemeinsame Trip nach Marieudd im Mai stärkte unsere Gruppendynamik ungemein.
Wir hatten eine besondere Zeit zusammen, und das WG-Leben kann ich mir auch in meiner Studienzeit sehr gut vorstellen.
Erwachsen werden
Manchmal muss ich mich immer noch kneifen, dass ich das erleben durfte, dass ich diese Möglichkeit bekam. Es fühlt sich an, als wäre ich ein großes Stück gewachsen in Schweden. Vielen Dank an alle, die dieses Projekt ermöglichen!
Mein Herz ist voll mit all den Erinnerungen. Schweden du bist verdammt besonders, aber es sind die Menschen, die diese Zeit unvergesslich gemacht haben.
Vi ses snart, ha det bra, Sverige.