Lettland, das Land der Nicht-Vegetarier und plötzlichen Wetterumschwünge

Jola und Martha vor dem Schwarzhäupterhaus (v.l.)
Jola und Martha vor dem Schwarzhäupterhaus (v.l.)

Nachdem ich eine Woche mit meiner Familie in einem kleinen Strandhäuschen an der lettischen Ostsee verbracht habe, bin ich in Riga angekommen.

Der Unterschied hätte nicht größer sein können: der Ort am Meer war mucksmäuschenstill und menschenleer  -  von den Hühnern und Truthähnen abgesehen, die unsere Nachbarn gehalten haben, die waren wirklich laut -, wohingegen in Riga am 20. August das Stadtfest gefeiert wurde. Das bedeutet Musik, bunt geschmückte Straßen und Menschen, Menschen, Menschen.

Pulsierendes Lettland

Der erste Eindruck meiner neuen Heimat war also ein kleiner Schock, der allerdings nicht falsch verstanden werden sollte. Die Stimmung an diesem Abend in der Stadt war geradezu magisch. Nach der Abgeschiedenheit der Rigaer Bucht hatte ich das Gefühl ins flirrende Leben einer Großstadt einzutauchen.

 

Nach ein paar Tagen, in denen ich mit meiner Familie die Rigaer Altstadt erkunden und lieben lernen konnte, ging es am 24. August nach Marupe, einem ruhigen Vorort Rigas, ins Kloster der Dominikanerinnen von Bethanien. Dort wurde ich liebevoll aufgenommen und erst einmal in der Bibliothek einquartiert, da in meinem Zimmer noch ein ukrainischer Flüchtling untergebracht war. Nach einer Woche konnte ich dann in meine eigenen vier Wände einziehen.

Der Praktikumsalltag

Am Morgen nach der Ankunft hatte ich auch schon den ersten Arbeitstag in der Kerzenwerkstatt "Grupu maja", einer Tagesstätte für junge Erwachsene mit Mehrfachbehinderung. Die Atmosphäre dort ist wirklich herzlich und durch die Räume zieht nicht selten der Duft von frisch gebackenem Kuchen, den wir selbstverständlich probieren müssen, unsere Chefin vor Ort achtet sehr darauf, dass wir genug essen.

Das Wetter

Arkādijas parks
Arkādijas parks

Die ersten Tage hier in Lettland waren wirklich heiß, da wurde meine einzige Erwartung an die neue Heimat enttäuscht: kühlere Temperaturen als in meinem deutschen Zuhause. Doch natürlich wollte das Perkons, der lettische Donnergott, nicht auf sich sitzen lassen - einen Moment waren es noch 30 Grad, dann kam das Gewitter und mit dem strömenden Regen auch der Herbst. Seit diesem Tag, dem 29.08.22, sind 16 Grad die Höchsttemperatur.

Jetzt kann ich verstehen, warum die Letten sagen, man könne dem Wetter nicht vertrauen - am Morgen ist der Himmel strahlend blau, am Mittag geht die Welt unter und der Abend erstrahlt wieder im Sonnenlicht. 

Fleisch, Fleisch, Fleisch

Auch wenn ich mich hier in Lettland wirklich zu Hause fühle habe ich ein großes Problem: Vegetarier scheint es hier nicht zu geben. Zumindest wenn ich mir die Angebote in Restaurants und Supermärkten oder die nationalen Gerichte ansehe. Ganz zu schweigen von Veganern. Eigentlich hatten Jola - meine Kumpanin - und ich vor, die Monate hier vegan zu leben. Allerdings mussten wir nach noch nicht mal zwei Wochen abbrechen, weil das Angebot an veganen Produkten so gering ist, dass wir fürchten mussten, Mangelerscheinungen zu bekommen. Das Vegetarisch-Sein ist hier in Riga schon möglich, allerdings muss Mensch sich darauf einstellen, jedes Mal, wenn Mensch sagt, dass Mensch kein Fleisch ist, seltsam angeschaut zu werden. Oh, und so ziemlich jedes herzhafte Gebäck oder Mini-Pizza im Supermarkt oder beim Bäcker ist tabu, irgendwie schaffen es die Hersteller, überall Schinkenwürfel unterzubringen.

Mit Frauenpower eingewöhnen

Alles in allem kann ich also stolz verkünden, gut angekommen zu sein. Die Schwestern hier im Kloster, Jola und die Chefinnen meiner Einsatzstellen - ja, nur Frauen, in Lettland beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen stolze 56% - haben mir die Eingewöhnung wirklich leicht gemacht. Und eine Sache muss ich zum Schluss auch noch loswerden: die Letten gelten zwar als verschlossen, aber wer auch immer das gesagt hat, war glaube ich noch nicht in Deutschland unterwegs. Die Menschen hier sind unglaublich hilfsbereit und gastfreundlich und haben immer einen Reisetipp parat.

Also, nach Lettland kommen lohnt sich! 

Martha

 

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