Nun bin ich auf den Tag drei Wochen wieder zu Hause in Deutschland und noch immer begleiten mich meine Erinnerungen an meine Zeit in Schweden jeden Tag. Erinnerungen, Freundschaften, Erfahrungen und eine neue Sprache sind das, was ich aus Schweden mit zurück nach Deutschland genommen habe und ich hoffe, dass mir das alles erhalten bleibt. Dieser Bericht wird sicher niemals alles beschreiben und erfassen können, was meine Zeit in Schweden ausgemacht hat. Trotzdem ist er ein Versuch, wenigstens einen kleinen Einblick in meine Zeit dort zu geben und für mich ein Rückblick auf tolle neun Monate Praktikum im Norden. Aber jetzt mal von Anfang an.
"Mehr Erwartungen an mich selbst als an die Orte"
Letztes Jahr Ende September ging für mich nach fünf Jahren Studium meine Reise in den Norden los. Viele konkrete Erwartungen hatte ich dabei nicht. Ich habe mir vorgenommen, alles zu genießen und offen für Neues zu sein, die Veränderungen auf mich zukommen zu lassen und das war so ziemlich alles. Es waren also mehr Erwartungen an mich selbst als an die Orte, zu denen ich aufgebrochen bin.
Die erste Zeit meines Praktikums im Norden habe ich dann bis Mitte Dezember in der Einsatzstelle in Rättvik verbracht. Dort war es meine Aufgabe in der Küche mitzuhelfen.
Es gab in Rättvik viele Gäste, die bekocht werden mussten und so gab es in der Küche immer einiges zu tun. Je länger ich dort war, desto mehr Aufgaben wurden mir anvertraut. So war es zum Beispiel nach ein paar Wochen für mich kein großes Problem mehr, allein Frühstück für alle zu machen. Die allermeiste Zeit war man aber mindestens zu zweit in der Küche, sodass man irgendeine Person hatte, mit der man sich unterhalten konnte. Meine Unterhaltungen in Rättvik liefen allerdings so gut wie alle auf Englisch ab. Schwedisch habe ich erst in Schweden so richtig angefangen zu lernen und wenn es nicht ganz einfache Sätze waren, sondern man ein richtiges Gespräch führen wollte, war für mich sowohl das Sprechen als auch das Verstehen auf Englisch deutlich einfacher.
Da ich in Rättvik immer entweder morgens und vormittags oder nachmittags und abends gearbeitet habe, hatte ich so jeweils die andere Hälfte des Tages frei. Diese habe ich zum Beispiel dafür genutzt in die Stadt zu fahren, ins Schwimmbad zu gehen oder mal mit Freunden und Familie zu Hause zu telefonieren. Mitte Dezember war meine Zeit in Rättvik dann auch schon wieder vorbei und ich bin nach einem sehr schönen Lucia-Fest in Stockholm in St. Eugenia über Weihnachten nach Hause geflogen.
Zweite Einsatzstelle lag in Vadstena
Im neuen Jahr ging es für mich zurück nach Schweden. Ich habe das Dreikönigsfest mit Fabia und Sarah in Marielund verbracht und bin danach über Stockholm zu meiner zweiten Einsatzstelle nach Vadstena gefahren. Dort war ich bis vor drei Wochen und hatte eine richtig brillante Zeit.
In Vadstena haben Jana, Emily und ich im Gästehaus der Birgitta-Schwestern gearbeitet. Dort haben wir alles gearbeitet, was gerade so angefallen ist. Als ich im Januar gekommen bin, gab es nur sehr wenige Gäste. Also haben wir viele unserer Arbeitsstunden in der Bibliothek der Schwestern verbracht, um ihren Bestand mit Hilfe einer App zu digitalisieren. Aber auch wenn nur vereinzelt Gäste da sind, fallen Putzarbeiten an, wie zum Beispiel das wöchentliche Kirche saugen. Mit der Zeit wurden es mehr und mehr Gäste und sobald es Gäste gab, gehörte es auch zu unseren Aufgaben, das Frühstück vorzubereiten und nach Abreise der Gäste die Zimmer wieder herzurichten und zu putzen.
Einige meiner Arbeits-Highlights in Vadstena waren das Türen putzen mit Jana (was uns am Anfang beiden eher unnötig erschien als wir davon hörten, sich aber dann beim tatsächlichen Putzen doch als mal notwendig herausstellte), der Tag der Beerdigung (bei der wir beim Kellnern und in der Großküche im Klosterhotel mithelfen durften und generell den ganzen Tag viel zu tun hatten), sowie der Tag als wir die ersten Gartenmöbel aus dem Keller geholt haben (weil das so ein schönes sommerliches Gefühl verbreitet hat). Im Großen und Ganzen hat die Arbeit aber immer Spaß gemacht. Dadurch das wir zu dritt waren, konnten wir uns immer mal abwechseln damit, wer was macht und so wurde es nie langweilig bei uns.
Fika als Arbeitsunterbrechung
Wenn wir nicht gerade einen freien Tag hatten, haben wir in Vadstena immer vormittags gearbeitet. Dabei durfte natürlich die Fika unter keinen Umständen fehlen (Kurzerklärung: Eine Fika ist sowas wie Kaffeetrinken, aber Fika ist gefühlt viel mehr als das und ich finde es irgendwie schwierig zu erklären). In Rättvik gab es keine Fika, was ich im Nachhinein sehr erstaunlich finde, weil die Fika ein großer Bestandteil der schwedischen Kultur ist. Das habe ich aber erst in Vadstena gelernt. Die ersten drei Tage musste Emily mich sogar zur Fika abholen, weil ich nicht pünktlich um halb elf erschienen bin. Das lag dann daran, dass ich noch eben die Kirche fertig saugen wollte oder schnell noch den Boden im Bad wischen oder so etwas. Ich habe dann aber sehr schnell gelernt, dass die Fika einen so hohen Stellenwert hat, dass man dafür die Arbeit liegen lässt und diese einfach nach der Fika beendigt. Am Ende hatte ich mich so an die Fika gewöhnt, dass ich mir jetzt wünsche, sie demnächst auch in meinen Arbeitsalltag integrieren zu können. Ob das funktioniert, wird sich zeigen.
Freizeitgestaltung hängt von den Jahreszeiten ab
Das vormittägliche Arbeiten jedenfalls, bot viel Potenzial für Freizeitaktivitäten am Nachmittag und Abend. Als ich im Januar zu den beiden anderen dazugestoßen bin, hatte es sich zum Beispiel schon etabliert, nach dem Mittagessen und Spülen einen Spaziergang zu machen, um noch etwas Sonnenlicht zu tanken. Montagabends sind Jana und ich zusammen zum Gospelchor gegangen und ab Anfang März haben wir alle drei zusammen Ju-Jutsu gemacht. Aber auch außerhalb der festen Hobbys konnte man in Vadstena einiges machen.
Im Winter waren wir regelmäßig im Schwimmbad. Das hat nämlich auch eine gratis Sauna und der Eintritt war relativ günstig, sodass wir, sobald wir das einmal entdeckt hatten, fast jede Woche da waren. Im Sommer dagegen hat dann der See direkt vorm Haus das Schwimmbad ersetzt. Gerade im Juni als es richtig warm wurde, war es sehr angenehm mal eben für eine Abkühlung in den See zu gehen, ohne dass man weit dafür laufen musste. Ansonsten habe ich im Winter eher Zeit drinnen mit Gesellschaftsspielen, Lesen und ein bisschen Seriengucken verbracht, während ich im Sommer fast den ganzen Nachmittag und Abend draußen war. Man könnte also sagen, dass meine Freizeitgestaltung ziemlich jahreszeiten- bzw. wetterabhängig war.
Die Zeit in Schweden war ein einziges Highlight
An unseren ganz freien Tagen haben wir Schweden erkundet. Wir drei waren mit den drei Mädels aus Uppsala ganz im hohen Norden von Schweden, wo wir Elche und Nordlichter gesehen haben. Außerdem haben wir eine Reise nach Göteborg gemacht und uns die Stadt und drei der Schäreninseln angeschaut. Wir haben öfter Tagesreisen nach Linköping gemacht, meistens, weil man da gut Essen und Shoppen konnte, wir waren in Norrköping, in Brunneby und in Motala.
Sehr schön und abenteuerlich war auch unser Campingausflug ganz gegen Ende unserer Zeit in Schweden oder unser schwedisches Midsommarfest mit den anderen Freiwilligen aus Schweden. Ich könnte diese Liste noch viel weiter führen mit Ausflügen zur Schokoladenfabrik (sehr lecker), Wanderungen und unser Treffen mit der Kronprinzessin am Vogelsee „Tåkern“. Ein weiteres meiner persönlichen Highlights, wobei eigentlich die ganze Zeit in Schweden ein einziges Highlight ist, war der Ausflug nach Vimmerby in Astrid Lindgrens Welt. Da ich dort als Kind schon zweimal war, wollte ich es mir unbedingt noch einmal anschauen und ich wurde nicht enttäuscht. Es war wirklich schön und für mich auch eine ganz neue Erfahrung, die Theaterstücke nicht nur zu verstehen, weil ich die Geschichte kenne, sondern weil ich auch verstehe, was gesagt und gesungen wird.
Auf Schwedisch Kuchen bestellen
Mein Schwedisch ist also besser geworden mit der Zeit. Dazu hat auf jeden Fall auch unsere Schwedischlehrerin Lillemo beigetragen, die sich einmal die Woche mit uns getroffen hat, um mit uns schwedisch zu lernen und zu reden, aber zum Beispiel auch um mit uns Ausflüge zu machen. Einmal sind wir beispielsweise mit den Rädern zu einem sehr süßen Café gefahren, in dem wir dann unser Schwedisch auf die Probe stellen konnten beim Kuchen bestellen und bezahlen.
"Kirchenkaffee" bringt Gemeinde zusammen
Die katholische Kirche in Schweden habe ich an den beiden Einsatzstellen, an denen ich hauptsächlich war, als recht aktiv erlebt. Die Gemeinden an den beiden Orten sind allerdings recht unterschiedlich. In Rättvik besteht die Gemeinde aus den Leuten, die dort in der Einsatzstelle in der Community leben, während zu der Gemeinde in Vadstena nicht nur die Schwestern und die Leute aus dem Gästehaus gehören, sondern auch Menschen aus der Stadt und aus umliegenden Orten. Die Gemeinde in Vadstena hat mich also eher an eine Gemeinde in Deutschland erinnert.
Was ich in Deutschland allerdings bei mir zu Hause nicht so kenne, ist der große Austausch unter den Gemeindemitgliedern. Dazu trägt in Vadstena allerdings sicherlich auch der „Kyrkkaffe“ bei. Das bedeutet übersetzt so etwas wie „Kirchenkaffee“ und heißt, dass es nach der Sonntagsmesse Kaffee, Tee und von uns gebackenen Kuchen gab. Dies hat den Gemeindemitgliedern natürlich eine gute Möglichkeit gegeben, sich auszutauschen und als Gemeinde zusammenzuarbeiten. Auch wir sind so mit den Gemeindemitgliedern ins Gespräch gekommen. So gut wie jedes Mal (egal ob in Rättvik oder Vadstena), wenn ich erzählt habe "ich komme aus Deutschland und bin hier als Volontärin über das Bonifatiuswerk", habe ich danach eine kürzere oder längere Geschichte gehört, in welchem Kontext diejenige Person schon einmal mit dem Bonifatiuswerk in Berührung gekommen ist. Das fand ich spannend, da ich vorher hier in Deutschland viel mehr dazu erklären musste.
Das eigene Vorhaben wurde erfüllt
Insgesamt habe ich in meiner Zeit in Schweden viele neue Leute kennengelernt und liebgewonnen, mit denen ich hoffentlich auch weiterhin in Kontakt bleiben werde. Einige vermisse ich jetzt schon, obwohl ich noch nicht so lange aus Schweden weg bin, genauso wie ich auch Vadstena vermisse, den Vätternsee und die wunderschönen Sonnenuntergänge, die es dort gibt.
Jetzt am Ende, nachdem ich hier alles noch einmal reflektiert habe, bin ich vor allem dankbar, dass mir diese Zeit, dieser Auslandsaufenthalt ermöglicht wurde. So viele Menschen haben daran mitgewirkt, es für mich zu einer sehr besonderen Zeit zu machen, die mich geprägt hat und die ich vermutlich nie vergessen werde. Auch mein eigenes Vorhaben, alles zu genießen, habe ich auf jeden Fall zu meiner Zufriedenheit erfüllt und ich würde auch sagen, dass ich ziemlich viel Neues über Schweden, über mich, über Andere und auch so allgemein gelernt habe. Nach Schweden zu gehen war für mich definitiv genau die richtige Entscheidung. Wie ich schon zu Anfang gesagt habe: Die Erinnerungen und Erfahrungen bleiben, und die Sprache und vor allem die Freundschaften hoffentlich auch.