7 Monate in Lettlands Hauptstadt

Philipp bei schönstem Wetter am Stadtfluss Daugava. (Foto: Moritz Borkamm)
Philipp bei schönstem Wetter am Stadtfluss Daugava. (Foto: Moritz Borkamm)

Nach 7 Monaten hier in Lettland blicke ich auf eine aufregende Zeit zurück, die viele Höhen und Tiefen mit sich gebracht hat. Eine Zeit, die viel zu schnell umgegangen ist aber trotzdem vollgepackt war mit vielen Erlebnissen und Erfahrungen, die ich so wahrscheinlich nie vergessen werde. Ich bin dankbar, dass mir das Bonifatiuswerk diese Praktikums-Reise ermöglicht hat. 

Als ich vor meiner Reise mit Freunden und Familie darüber gesprochen habe, wo mich mein "Praktikum im Norden" hinführt, hat man immer Fragezeichen über den Köpfen gesehen. "Lettland?! Ist irgendwo da rechts, oder?", waren öfter die Reaktionen. Und auch ich musste am Anfang auch selbst einen Blick auf die Weltkarte wagen, um zu sehen, wo meine Reise überhaupt hinführen wird.

Viele offene Fragen standen vor der Reise im Raum. Kann ich meinen Hobbys noch weiter nachgehen oder bekomme ich es hin mich selbst zu versorgen, Wäsche zu machen etc.? Ein Glück, dass ich diese Probleme nicht alleine tragen musste, sondern mit meinem Mitpraktikant Moritz teilen konnte. 

Der erste Eindruck

Philipp und Moritz (v.l.) mit Mentorin Sr. Hanna.
Philipp und Moritz (v.l.) mit Mentorin Sr. Hanna.

Als ich im September dann aus dem Flugzeug stieg, wurden wir direkt von unserer Mentorin Schwester Hannah zusammen mit dem "BONI-Bus" in Riga willkommen geheißen, um dann zu unserer Unterkunft für die nächsten Monate zu fahren. Auf dem Weg dorthin sind wir an dem Stadtfluss vorbeigefahren und konnten auf der gegenüberliegenden Seite bereits die Hauptstadt Riga bewundern. Das Kloster steht ein wenig abseits der Innenstadt auf der anderen Flussseite der Stadt. Das Wohnviertel erinnerte mich eher an eine ganz normale Wohnsiedlung, bei der man gar nicht erwartet, dass sich 10 Minuten weiter die Hauptstadt Lettlands erstreckt. 

Unsere Unterkunft und das Leben im Kloster

Unsere Unterkunft für die Monate war das Exerzitienhaus des Frauenklosters. Hier kamen öfters Gruppen und Einzelpersonen, die dann komplett in Stille lebten und/oder einfach ein wenig Ruhe brauchten. Auch Tagesgruppen waren des Öfteren hier.

Zu unseren Aufgaben gehörte dann das Vorbereiten der Zimmer und das Haus immer schön ordentlich zu halten, falls mal kurzfristiger Besuch kam. Anfangs war das noch sehr schwierig für uns umzusetzen, da wir uns erst einmal an die Verantwortung gewöhnen mussten, beispielsweise direkt nach dem Kochen alles aufzuräumen, zu spülen, generell alles sauber halten oder niemals etwas stehen zu lassen, was vorher nicht da war. Aber nach und nach sind wir dann hoffentlich dem gerecht geworden, was von uns erwartet wurde. 

Außerdem waren unsere Aufgaben im Herbst, das Grundstück von Blättern zu befreien und Äpfel zu sammeln, die dann hinterher zu Apfelsaft verarbeitet wurden. Im Winter stand dann das tägliche Schneeschippen an, um Wege freizuhalten und um Eisflächen vorzubeugen.

Mit Beginn des Krieges in der Ukraine war auch schnell in Lettland klar, dass man sich auf die mögliche Ankunft von Flüchtlingen vorbereiten muss. Dabei haben wir bei der Vorbereitung und der Einrichtung der Unterkünfte das Kloster unterstützt.

Interessante Esskultur

Von dem Leben im Kloster selbst haben wir eher weniger mitbekommen, da wir dieses nur zu bestimmten Anlässen betreten durften, da es sich um ein Frauenkloster handelt. Ein besonderer Anlass war der Sonntag der mit einer Heiligen Messe um 11 Uhr startete und dann mit einem gemeinsamen Essen zusammen mit den 3 Schwestern endete. Das gemeinsame Essen war immer wieder sehr schön, da man immer schöne Gespräche führen konnte. Kleiner Fun-Fact am Rande: Die Letten greifen niemals wirklich niemals zum letzten Stück und fragen auch nicht danach. Außerdem kann das Essen für "Reichtum" stehen, also wenn etwas übrig bleibt zeigt man, dass man wirklich genug für alle gekocht hat. Daher wird immer lieber etwas mehr gemacht.

 

In der Vorweihnachtszeit haben wir zusammen Kekse gebacken und verziert. Traditionell für Lettland ist der Pfefferkuchen. Außerdem haben wir den Abend vor Aschermittwoch gemeinsam mit den Schwestern und Gemeindemitglieder Pfannkuchen gebacken und gegessen.

Die Stadt Riga und ihre Umgebung

Aussicht von der Petris Kirche über Riga.
Aussicht von der Petris Kirche über Riga.

Das Kloster, also auch unsere Unterkunft, befindet sich auf der anderen Seite der Innenstadt Rigas. Mit dem Bus braucht man außerhalb des Arbeitsverkehres 20 Minuten um in die Stadt zu kommen. Mit einer einzigen Busverbindung ist man somit schnell in der Stadt. Das Zentrum von Riga ist durch die Altstadt gekennzeichnet, in der auch der Dom  steht. Auf dem Turm der Petris Kirche, die evangelischen Kirche Rigas, kann man über ganz Riga schauen. In der Altstadt findet auch das hauptsächliche Leben statt. Es gibt viele Restaurants und Cafés, sowie auch Clubs und Bars, in denen man gut einkehren kann.

Neben der Altstadt gibt es den Bahnhof, wo die meisten Busse und Züge abfahren. In der Nähe davon erstrecken sich die Markthallen Rigas. Auf diesem Markt kann man viel lokales Essen kaufen und jegliche Art von Souvenirs und Geschenken.

Des Weiteren ziehen sich kleine Parks und Grünstreifen durch die ganze Stadt, was vor allem in den Herbst und Frühlingsmonaten immer sehr schön war. In der Stadt gibt es außerdem viele Statuen und Denkmäler aus der früheren Sowjetzeit. Sobald man etwas aus der Innenstadt Riga herauskommt, gibt es den Mezapark. Bei schönem Wetter konnte man diesen gut durchlaufen und die Natur genießen. Außerdem gibt es dort einen kleinen Zoo sowie das ethnographische Freilichtmuseum, wo wir Ausflüge hin gemacht haben.

Die lettische Sprache

Das Kennenlernen der neuen Sprache begann bei mir ganz am Anfang des Praktikums mit dem sechswöchigen Sprachkurs, der -coronabedingt- leider online stattgefunden hatte. In diesem Kurs habe ich die Grundlagen der lettischen Sprache gelernt, die mir in den ersten Interaktionen mit Letten bereits geholfen haben.

Meine Einsatzstellen

Abschiedfoto mit den Jugendlichen der Organisation Solis Augsup.
Abschiedfoto mit den Jugendlichen der Organisation Solis Augsup.

Unter der Woche war ich in verschiedenen Einsatzstellen unterwegs. Nach dem wir alle Einsatzstellen am Anfang des Praktikums kennengelernt hatten, durften wir uns unsere Wochenplanung selbst überlegen und entschieden, wann und für wie viele Tage wir zu den Stellen gehen. Meine meiste Arbeitszeit war in der deutschen Schule in Riga, in der ich am Anfang des Praktikums 3 Tage die Woche war und später dann nur noch 2 Tage. Die deutsche Schule steht in dem Jugendviertel bzw. dem Botschaftenviertel von Riga. Die Anlage umfasst außerdem einen Kindergarten, eine Vorschule, eine Grundschule und seit diesem Jahr auch ein Gymnasium, da die älteste Klasse nun die 5. Klasse ist. 2029 soll der erste Jahrgang den Schulabschluss Abitur erhalten. 

 

In der Schule wird vor allem die deutsche Sprache gefördert. Daher werden auch alle Hauptfächer wie Mathe, Deutsch, Sachkunde, Ethik usw. schon von der 1. Klasse an in Deutsch unterrichtet. Ich war dort hauptsächlich als Assistent der 1. Klasse tätig und habe den Lehrenden im Unterricht assistiert. Außerdem gehörte zu meinen Aufgabenbereichen die Vorbereitung des Frühstücks, Mittagessens und der Snacks. 

Am Anfang des Praktikums habe ich noch zusammen mit Moritz jeden Freitag bei Paaudzes ausgeholfen. Einem Jugendzentrum, bei dem wir gemeinsam mit den Jugendlichen Spiele gespielt und Ausflüge unternommen haben. Beispielsweise haben wir ein Trainingszentrum vom "Knights sport" besucht und dort den Sport ausprobiert. Bei diesem Sport kämpfen zwei Leute mit Schwert und Schild gegeneinander, wobei die Schwerter und Schilder selbstverständlich aus Kunststoff waren. Wir haben uns bei dem Ausflug ein wenig duelliert und durften mit einer Armbrust schießen. Zusammengefasst war die Einsatzstelle bei Paaudzes immer sehr abwechslungsreich und ein schöner Abschluss der Arbeitswoche. Dann kam eine weitere Corona-Welle und das Zentrum musste schließen. 

Arbeit in der Kerzenwerkstatt

Im neuen Jahr habe ich mir für den Freitag eine neue Einsatzstelle gesucht. Durch eine Schwester, die in einem Gymnasium als Lehrerin arbeitet, bin ich dann zu meiner neuen Einsatzstelle gekommen. Durch die hohen Fallzahlen hier in Lettland waren dementsprechend auch immer einige Lehrende an der Schule krank und sind ausgefallen. Dort hat man sich dann sehr über meine Hilfe gefreut und ich wurde als Assistent beispielsweise im Englischunterricht eingesetzt. Genaueres zu meiner Arbeit im katholischen Gymnasium habe ich bereits in einem anderen Blogeintrag geschrieben.  

Des Weiteren war ich noch ein Mal die Woche in der Kerzenwerkstatt in Imanta für Menschen mit Einschränkungen. Dort haben wir bei der Produktion und Vorbereitung der Kerzen geholfen. Diese werden in verschiedene Länder verkauft, auch aus Deutschland kamen bereits einige Bestellungen. Vor allem in der Weihnachtszeit waren die Bestellungen sehr hoch. 

Weitere Einsatzstellen

Der selbstorganisierte X-Factor-Abend.
Der selbstorganisierte X-Factor-Abend.

Außerhalb der Arbeit habe ich mich noch in einem Zentrum für Jugendliche mit Autismus engagiert. Dort fanden alle drei Wochen kleine Meetings mit den Jugendlichen statt, die meistens unter einem speziellen Thema standen. Beispielsweise wurde gekocht oder es wurden einfach nur Spiele gespielt. Mein schönstes Erlebnis dort war die Talentshow, die ich mit organisiert habe. In einer 2-wöchigen Vorbereitungszeit konnten sich die Jugendliche auf die Show vorbereiten, um dann ihre Talente zu präsentieren. Es haben insgesamt 6 Jugendliche mitgemacht und gewonnen haben natürlich alle am Ende. Als Preis gab es Geschenke und eine Trophäe.

In den ersten Monaten des Praktikums wurden von der Organisation "Solis Augsup" mit den Freiwilligen Tagesausflüge organisiert, durch die ich Lettland weiter kennengelernt habe. Mein erster Ausflug ging nach Tervete in einen Park. Es gab auch noch Ausflüge, die beispielsweise in die Nähe der litauischen Grenzen führten und in einen Nationalpark. Dort haben wir zusammen mit den Kindern und Jugendlichen an einem See ein kleines Lagerfeuer gemacht und Mini-Fallschirme gebaut. Die Fallschirme haben wir dann von einem Aussichtsturm heruntergleiten lassen. Die Arbeit mit der Organisation hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich bin dankbar, dass ich an so vielen Meetings und Ausflügen teilnehmen durfte.

Ausflüge und Reisen während des Praktikums

Moritz und Philipp (v.l.) unterwegs mit dem BONI-Bus.
Moritz und Philipp (v.l.) unterwegs mit dem BONI-Bus.

Während der Zeit in meinem Praktikum haben wir auch einige Ausflüge und Reisen gemacht. Da ich durch die Organisation schon einige schöne Orte und Teile Lettlands kennenlernen durfte, habe ich gemeinsam mit Moritz auch eigene Ausflüge unternommen. Das nächstliegende Ziel von Riga war der Strand. Bei schönstem Herbstwetter sind wir mit dem BONI-Bus nach Jurmala gefahren und haben dort einen unvergesslichen Tag verbracht. Außerdem haben wir einen Ausflug nach Kolka unternommen. Kolka liegt im Westen Lettlands und ist der nördlichste Punkt. Was diesen Ort so besonders macht, ist, dass an dem Kap zwei Meere aufeinander treffen. Nämlich die Ostsee und der rigareanische Meeresbusen. Das dort zwei Meere aufeinander treffen konnte man an dem Wellengang und den unterschiedlichen Farbe erkennen. Die 3 Stunden, die wir dort hingefahren sind, haben sich auf jeden Fall gelohnt und waren sehr schön. Alleine die Fahrten hin und zurück waren ein Erlebnis für sich. Da, sobald man aus Riga herauskam, sich die Qualität der Straßen deutlich verschlechtert und das Autofahren alleine schon zu einem Abenteuer wurde.

Außerdem haben wir ab und zu Ausflüge mit Schwester Hannah gemacht. Der letzte Ausflug ging nach Vecpils in ein Herrenhaus, um einen Schrank für eine experimentelle Küche anzuliefern. Vor Ort gab es ein Museum und wir haben gemeinsam mit den Leuten vor Ort Kaffee getrunken.

In dem Praktikum haben wir uns auch nicht die Möglichkeit entgehen lassen, andere Praktikanten des Jahrgangs zu besuchen. Dafür waren wir auf einer 10-tägigen Reise in Schweden und Norwegen. Dort haben wir eine schöne Zeit gemeinsam mit den Praktikanten verbracht und die Natur erkunden können.

Katholischer Glaube in der Diaspora

Kennenlern-Treffen mit der Gemeinde und ukrainischen Geflüchteten. (Foto: Sr. Hanna)
Kennenlern-Treffen mit der Gemeinde und ukrainischen Geflüchteten. (Foto: Sr. Hanna)

Hier in Lettland durfte ich eine lebendige katholische Gemeinschaft erleben. Die Messen, die ich in meinem Praktikum besuchen durfte, waren immer sehr geprägt von schöner Musik und lebendigen Predigten. Die Predigten, die wir im Kloster gehört haben, wurden uns immer direkt von unserer Mentorin ins Deutsche übersetzt, sodass wir diese auch verstanden haben. Im Ablauf der Heiligen Messe tut sich im Vergleich zu den deutschen Messen kaum etwas. Trotzdem glaube ich durch einige Aspekte, wie beispielsweise die Mundkommunion, dass hier noch ein konventioneller Glauben gelebt wird, im Gegensatz zu dem was ich von Zuhause kenne. Des Weiteren kann ich die katholische Kirche hier als eine sehr engagierte und offene Kirche in Erinnerung behalten. In der kleinen Gemeinschaft hier am Kloster wurden wir von Anfang an sehr gut aufgenommen und bei den zahlreichen Treffen nach der Messe, bei Kaffee und Kuchen, konnte man sich auch gut unterhalten und austauschen. 

Persönliches Fazit

Aus meinem Praktikum im Baltikum nehme ich so Einiges mit. Neben den vielen neuen Erfahrungen in den verschiedenen Einsatzstellen und den Abenteuern, die ich erleben durfte, habe ich auch neue Kontakte knüpfen können, vor allem durch die Varietät meiner Einsatzstellen. Am Anfang meines Praktikums habe ich überlegt, ob soziale Arbeit/Lehramt eine mögliche Zukunftsperspektive für mich sein könnte, da ich auch in meiner Heimat Kinder und Jugendliche ehrenamtlich betreue. Die sieben Monate Arbeit an den Schulen haben mir gezeigt, dass sie mir sehr viel Spaß macht, ich es aber auch bei dem Freizeitengagement belassen werde.

Außerdem hat das Praktikum dazu beigetragen, dass ich deutlich mehr Selbständigkeit und Eigenverantwortung gelernt habe. Vor allem die Wohnsituation mit Selbstverpflegung und der Umgang mit den verfügbaren (Geld)- Mitteln haben dazu beigetragen. 

Abschlusswort

Zusammengefasst hat mir das Praktikum sehr viele neue Seiten von mir zeigen können. Ich durfte viele neue Erfahrungen machen und interessante Menschen kennenlernen. Ich bin in meinem Praktikum gut an den Herausforderungen gewachsen und habe viel vom Land erkunden können.

"Danke" an das Bonifatiuswerk die mir diese unvergessliche Zeit möglich gemacht haben, "Danke" an Schwester Hannah für die Betreuung und "Danke" an Moritz der die sieben Monate mit mir ausgehalten hat.

Philipp

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