Die 6 Monate meines "Praktikum im Norden" waren gefüllt mit neuen Erfahrungen, neuen Menschen, neuen Orten, neuen Wörtern, neuen Herausforderungen und neuen Freundschaften. Ich erinnere mich noch an meine ersten Eindrücke, die ich auf dem Weg vom Flughafen bis zu meiner Einsatzstelle gewonnen habe. Vor allem die Natur und die Landschaft Schwedens waren ab den ersten Moment an so besonders.
Als wir mit dem Auto in meiner Einsatzstelle Stiftsgarden Marielund ankamen, kreisten sich meine Gedanken darum, wie bergig doch der Weg zum Haus ist - auf Google Maps schien eigentlich alles ebenerdig zu sein.
Die Frage der Verständigung
Aber auch über die Sprache habe ich mir so einige Gedanken gemacht: "Welche Sprache spreche ich wohl mit meinen Mentoren?", "Werde ich mich auf Schwedisch vorstellen müssen, oder kann ich mich wohl auch auf Englisch unterhalten?" Zu meiner Überraschung wurde ich bei meiner Ankunft auf Deutsch begrüßt.
Leben & Arbeit im Stiftsgården Marielund
Die ersten Wochen vergingen so schnell. Nachdem man alle Menschen um sich herum erst einmal kennengelernt und sich an sein neues Zuhause gewöhnt hatte, war es ganz einfach, sich im schwedischen Alltag zurechtzufinden. Rückblickend finde ich es beeindruckend, wie schnell ich für mich selber einen Rhythmus finden konnte und wie einfach es wurde, kleine und große Schwierigkeiten zu überwinden und zu lösen.
In den ersten Arbeitstagen im Stiftsgården Marielund haben meine Mit-Praktikantin Fabia und ich viele Arbeitsschritte gelernt, die wichtig für die kommenden Monate waren. Wir haben viel darüber erfahren, wie es ist, in einer großen Küche große Mengen an Essen zuzubereiten, oder Mahlzeiten vorzubereiten. Das Aufräumen und Geschirrspülen sowie auch Haushaltsarbeiten außerhalb der Küche gehörten ab sofort zu unserem Arbeitsalltag. Typische schwedische Gerichte und auch die ein oder andere schwedische Gewohnheit haben wir kennengelernt und für gut befunden.
Gemütlichkeit ermöglichen
Beispielsweise gehörte es immer dazu (egal zu welcher Tageszeit), alle Kerzen auf dem Tisch anzuzünden, bevor die Gäste in den Speisesaal kamen. Kerzen und Gemütlichkeit, wie auch das Kaminfeuer zur "Kvällsfika" (Abendkaffee) waren vor allem im Herbst und Winter immer dabei. Das ist etwas, was ich besonders in Erinnerung halte. Doch bevor die kalte Jahreszeit anbrach, stand nach meiner Ankunft erst einmal der schwedische Spätsommer vor der Tür. Einige warme Sommertage konnten wir im September noch nutzen, zum Kanu fahren auf dem Mälarensee oder für die ein oder andere Foto-Session mitten in der Natur der Mälaren-Umgebung. Es gab wirklich immer viel zu fotografieren und zu entdecken.
Stockholm brachte so einige Begegnungen mit sich
Nicht nur in der Natur, sondern auch in der Hauptstadt Schwedens, waren wir viel unterwegs. Meine anderen beiden Einsatzstellen, mitten in Stockholm waren dabei so anders als Stiftsgården Marielund. Bei der Caritas stand vor allem das soziale Interagieren mit den Menschen im Fokus, sodass wir jede Woche immer so viel aus Gesprächen, Erzählungen und Zusammentreffen mitnehmen konnten.
Ich war so oft davon überrascht, wie viel ein gemeinsames Kaffeetrinken bewirken konnte und wie schnell dabei ganz fremde Menschen zu neuen und wertvollen Begegnungen wurden.
Die Zusammenarbeit dort, mit Achim aus Stockholm, Martha aus Uppsala und Fabia, war Woche für Woche sehr aufregend und hat einfach gut funktioniert. Auch im katholischen Buchladen habe ich mitgeholfen und verschiedene Aufgaben erledigt.
Die gemeinsame "Fika", wo alle Mitarbeitenden der katholischen Gemeinde "St:a Eugenia" teilgenommen haben, war so schwedisch und gleichzeitig so sympathisch. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass der katholische Buchladen, aber auch St:a Eugenia ein besonderer Ort ist, wo so viele verschiedene Menschen anzutreffen sind. Dort war es möglich, viel von der schwedischen katholischen Kirche aufzufangen und mitzubekommen, nicht nur durch die theologischen Bücher die im Laden verkauft werden.
Die katholische Kirche in Schweden - so anders als in Deutschland
Doch wenn es um meine Erfahrung der schwedischen katholischen Kirche geht, spielt dabei Marielund eine große Rolle. Als Mitarbeiterinnen haben wir so einige Gruppen betreut und so einige Persönlichkeiten getroffen. Beispielsweise kam der schwedische Bischof immer mal wieder vorbei, um Seminare abzuhalten, andere Auszeiten zu leiten oder Vorträge zu halten. Uns ist aufgefallen, dass die katholische Kirche in Schweden doch viel familiärer zu sein scheint, als in Deutschland. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir in Marielund regelmäßig Menschen getroffen haben, die wir "doch irgendwo vorher schon mal gesehen hatten"…
Konservativ vs. Diversität
Durch die Arbeit in Marielund sind wir auch auf so viele katholische Jugendgruppen getroffen, die zur Firmvorbereitung oder für Freizeiten vorbei kamen.
Weil ich vorher in Deutschland selber als Firmkatechetin tätig war, war ich oft sehr verwundert wenn ich die Programme dieser Gruppen gelesen habe. Mir ist aufgefallen, wie intensiv sie sich beispielsweise mit Bibeltexten oder einzelnen Bibelstellen auseinandersetzten.
Aber nicht nur thematisch und theoretisch, sondern auch praktisch kamen so viele schwedische Katholiken auch wirklich sehr katholisch rüber. Aus so manchen Gesprächen, die ich mitbekommen und geführt habe, bin ich doch mit einem sehr konservativen Eindruck herausgegangen. Oft traf ich da auf einen Zwiespalt.
Einerseits fand ich es beeindruckend, wie sich zum Beispiel die Jugendlichen nach außen hin als katholisch identifizieren und den Glauben wirklich fest leben. Andererseits hatte ich aber auch den Eindruck, dass die Offenheit in vielen Gesprächen verloren ging und man mit Diversität und anderen Themen auf so eindeutige Grenzen gestoßen ist.
Das Leben außerhalb der Arbeit in meinen Einsatzstellen
Leider hatte ich außerhalb meiner Einsatzstellen kaum Kontakt zu schwedischen Menschen, Vereinen oder anderen kulturellen Angeboten. Ich denke, dass das vor allem daran lag, dass wir in Marielund so sehr auf (mehr oder weniger verlässlichen) Busverkehr angewiesen waren. So oder so waren meine Wochen aber immer gut gefüllt und jede einzelne sah anders aus. Je nachdem wie die Gäste in Marielund gebucht hatten, mussten wir mal am Wochenende, mal in der Woche arbeiten. Vor dem schwedischen Winter bin ich jedoch nicht verschont geblieben. Wir hatten in den Wintermonaten immer mal wieder Schnee und vor allem der ganze Dezember war so weihnachtlich gestaltet, dass es wirklich schwer war, nicht schon Ende November in Weihnachtsstimmung zu verfallen.
Vor allem Weihnachten und Silvester, zusammen mit so vielen anderen Praktikanten sind mir so positiv in Erinnerung geblieben. Unser kleines Weihnachtsfest in unserem eigenen Haus in Marielund, zusammen mit Martha, Anna und Theresa aus Uppsala sowie auch mit Achim aus Stockholm, war sehr harmonisch und wir hatten alle zusammen einfach eine gute Zeit. Am Silvesterabend, welchen wir mitten in Stockholm gefeiert haben, kamen auch noch die Praktikanten aus Vadstena, Estland und Norwegen dazu, sodass mir der Abend wirklich als besonderes Erlebnis im Gedächtnis bleibt. Ganz schnell kam dann auch schon der Januar, sowie der Februar und auf einmal waren so schnell schon meine letzten Wochen in Schweden angebrochen.
Die besten Erlebnisse
Als besonderes Erlebnis bezeichne ich auf jeden Fall unsere Estland- und Lettlandreise im November. Ich fand es sehr interessant, die anderen Praktikanten und Einsatzstellen im Baltikum kennenzulernen. Mir ist aufgefallen, wie vielfältig doch das Praktikum im Norden ist.
Egal, wen man vom Bonifatiuswerk getroffen hat, immer hat man sich irgendwie verbunden gefühlt und direkt war ein freundschaftliches und herzliches Verhältnis gegeben. Bevor man die Kultur der nordischen Länder kennenlernen konnte, durfte man oft zusätzlich auch erst einmal die verschiedenen "Kulturen" Deutschlands kennenlernen, weil alle Praktikanten aus so vielen verschiedenen Teilen Deutschlands kommen.
Des Weiteren haben Fabia und ich zusammen noch die Einsatzstellen Uppsala, Rättvik und Vadstena in Schweden besucht. Auch diese Wochenendtrips waren sehr besonders, gerade weil wir so nochmal verschiedene Ecken von Schweden sehen und erleben konnten. Hier stand vor allem die Natur Schwedens wieder im Mittelpunkt. Immer wieder neu war ich begeistert davon, wie schön Schweden ist. Der Austausch mit den anderen Praktikanten tat darüber hinaus immer wieder gut und es war spannend, auch mal andere Perspektiven einzunehmen und das Gefühl zu haben, das "Praktikum im Norden" voll und ganz erleben zu können.