Wie ich hier so sitze und versuche, meinen Abschlussbericht für mein Praktikum im St. Birgitta Kloster in Vadstena zu verfassen, fällt es mir schwer zu begreifen, dass nun wirklich schon vier Monate vergangen sind, seit ich auf dem kleinen Flugplatz in Linköpping gelandet bin. Ein Blick aus dem Fenster des "Matsals" (Esszimmer) und auf die Kerzen unseres Adventskranzes verrät mir allerdings, dass es wirklich nicht mehr August sein kann.
Neues Zuhause gefunden
Ich sitze am Volontärstisch, an dem wir viel Zeit verbracht haben, ob zum Frühstück, zur Fika, zum Mittagessen, zum Abendessen, zum Basteln oder zum Spielen. Die Kerzen unseres Adventskranzes sind angezündet. Eine Kerze fehlt noch und dann werde ich auch schon abreisen. Der Vättern, der See, an dem Vadstena liegt, ist in der Nähe des Ufers mit richtigen Eisbrocken gepflastert, auf denen die aufgehende Sonne glitzert. Wer hätte gedacht, dass ein so großer See so schnell (zumindest teilweise) gefrieren kann? Und wer hätte gedacht, dass ein Ort, der mir vor vier Monaten noch vollkommen fremd war, nun zu einem Zuhause für mich geworden ist?
Vor meinem Aufbruch nach Schweden sind etliche Fragen durch meinen Kopf gegeistert: Was kommt in einem Kloster wohl auf mich zu? Werde ich irgendwann die Nase voll haben von dem ständigen Beten? Wie werde ich hier die katholische Kirche erleben? Wie wird mein Alltag aussehen? Wie werden die Leute sein? Wie soll ich jemals auch nur ansatzweise diese Sprache lernen? Werde ich einen Elch in der freien Natur sehen? Werde ich wirklich eine Schneehose brauchen, wenn ich nur bis Dezember bleibe? Da ich in zwei Tagen abreisen werde, möchte ich nun versuchen, diese Fragen rückblickend zu beantworten.
Das Leben im Kloster
Dazu lässt sich zuallererst sagen, dass wir Volontär*innen, Jana, Emily und ich, gar nicht wirklich im Kloster mit den Schwestern leben, sondern im Gästehaus, welches über die Klosterkirche mit dem Kloster verbunden ist. Das heißt, im Kloster selbst waren wir nur, wenn es ausdrücklich von den Schwestern gewünscht war. Das liegt daran, dass das St. Birgitta Kloster ein kontemplatives Kloster ist. Die Schwestern haben ihr Leben dem Gebet gewidmet und sich für handwerkliche Arbeiten entschieden, damit sie sich auch bei ihrer Arbeit in Stille dem Gebet widmen können.
Wer nun allerdings ein tristes, stilles Klosterleben vor Augen hat, täuscht sich gewaltig. Hier im St. Birgitta Kloster ist immer was los. Die Schwestern helfen ihren Mitmenschen, wo sie nur können, ob durch ihr Gebet oder indem sie aktiv Hand anlegen. Sie lachen gerne und sind auch immer für einen Spaß zu haben.
Schwester Monika arbeitet hier im Gästehaus und ist somit zugleich unsere Ansprechpartnerin. Sie hat immer ein offenes Ohr für uns und ist immer hilfsbereit. Mit Schwester Katharina haben wir schon so einige Spieletage verbracht. Ob beim Exit-Game, UNO, allen möglichen anderen Kartenspiele, Wikingerschach oder Boulespielen, Schwester Katharina ist immer dabei, wenn sie Zeit hat. Denn Lust zu spielen hat sie immer. Die anderen Schwestern habe ich in der Zeit hier vor allem im Gottesdienst, beim Kyrkaffee (Kirchenkaffee) oder bei gemeinsamen Fikas getroffen.
Ora et labora
Was also das "ständige Beten" angeht, war es mir ganz selbst überlassen, wann und in welcher Weise ich dem Gebet nachgehe. Die Einladung der Schwestern, jederzeit an ihrem Stundengebet oder am Gottesdienst teilzunehmen, steht, und sie heißen uns immer mit einem Lächeln willkommen. Frei von jedem Zwang habe ich also die Gelegenheit genutzt, um die Gebetsform des Stundengebets etwas näher kennenzulernen.
Mein persönlicher Eindruck davon ist: Schöner Sprechgesang/Gesang, allerdings wusste ich ohne Anleitung nie auf welcher Seite es weitergeht, bis zum Schluss fiel es mir schwer, die schwedischen Gebetstexte ganz zu verstehen, weshalb ich oft das Gebet der Schwestern auf mich wirken lassen habe und dabei meinem eigenen Gebet nachgegangen bin. Leider habe ich es nie geschafft, an einem Tag zu allen Stundengebeten zu gehen. Das lag zum einen daran, dass dieses Vorhaben nicht so gut mit meiner Arbeitszeit zu vereinbaren war, und zum anderen, dass es auch wirklich nicht ohne ist. Schwester Monika hat mehr als einmal betont, dass das Beten eben auch Arbeit ist!
Meine Mitvolontärinnen und ich haben uns zudem auch im Meditieren versucht. Wir sind eine Woche lang jeden Morgen um halb sieben in den Vättern gesprungen (um wach zu werden), haben uns dann im Meditationsraum getroffen und sind nach dem Impuls gemeinsam in die Laudes gegangen. Die Zeit im Kloster war für mich also eine gute Gelegenheit, um einfach mal verschiedene Gebetsformen auszuprobieren.
Die katholische Kirche in Vadstena
Die katholische Kirche habe ich zunächst einmal nicht viel anders als in Deutschland wahrgenommen. Die Liturgie ist in Schweden natürlich die gleiche wie in Deutschland. Auch in der Klosterkirche besteht die Gemeinde überwiegend aus älteren Menschen und ist auch nicht unbedingt proppenvoll, wobei die Schwestern meinten, dass dies auch eine Folge von Corona sei. Es handelt sich also nicht um eine von verschiedenen Kulturen geprägte Gemeinde, wie sie unter anderem auf dem Vorbereitungsseminar beschrieben wurde – diese trifft man hier in Schweden eventuell eher in den größeren Städten an.
Friedensgruß und Kirchenkaffee
Nur der etwas andere Friedensgruß und das Kirchenkaffee sind mir von Beginn an als Unterschiede zur katholischen Kirche in Deutschland aufgefallen. Diese zwei Dinge würde ich, wenn ich könnte, sofort in der katholischen Kirche in Deutschland einführen. Für den Friedensgruß werden die Handflächen vor dem Mund aneinandergelegt und anschließend in Richtung des zu Grüßenden gesenkt. Diese spezielle Art des Friedensgrußes wurde für mich schnell zum Highlight jedes Gottesdienstes, da man dadurch fast jeden Menschen auch auf Distanz (was besonders in Zeiten von Corona ein Riesenvorteil darstellt) erreichen kann. Den Frieden kreuz und quer durch die Kirche zu "schießen" und dabei auf viele lächelnde Gesichter zu stoßen, hat mich jedes Mal aufs Neue gefreut. Das Kirchenkaffee wird in Schweden gerne scherzhaft auch als achtes Sakrament bezeichnet. Dies kann ich nun, nachdem ich weiß, wie gern und wie viel die Schweden Kaffee trinken, gut nachvollziehen. Es ist eine tolle Gelegenheit, um die Menschen aus der Gemeinde besser kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen.
Nach einiger Zeit ist mir zudem wieder mehr bewusst geworden, dass die katholische Kirche eben eine Weltkirche ist. Die Probleme, mit denen die katholische Kirche momentan in Deutschland zu kämpfen hat, ergeben sich hier für viele erst gar nicht. Das könnte unter anderem daran liegen, dass die katholische Kirche in Schweden seit der Reformation durch Gustav Vasa erst wieder seit der Mitte des 20. Jahrhunderts offiziell erlaubt ist. Dadurch gibt es viel mehr Menschen, die zur katholischen Kirche konvertieren – sich also bewusst, nachdem sie sich mit der Lehre der katholischen Kirche auseinandergesetzt haben, für diese entscheiden.
Alltag - Menschen - Sprache
Eine gute Work-Life-Balance – so würde ich meinen Alltag hier in einem Satz beschreiben. Es wird immer sehr darauf geachtet, dass man neben der Arbeit (Putzen, Kochen, Backen, Gärtnern, etc.) auch genügend freie Zeit hat. Besonders Bibbi, die im Gästehaus ehrenamtlich arbeitet und neben Sr. Monika auch für uns zuständig ist, ihr Mann Alan sowie Pater Peter haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit den Volontär*innen regelmäßig Ausflüge zu machen und uns vor allem die Orte zu zeigen, die nicht so leicht mit dem Fahrrad zu erreichen sind.
So hat Bibbi mir unter anderem die Hemmung genommen, Schwedisch zu sprechen, da sie immer wieder betont hat, wie nebensächlich erstmal die Grammatik und die perfekte Aussprache sei, wohingegen die Hauptsache sei, dass wir uns verstehen. Durch diese angenehme und vor allem auch hilfsbereite Lernatmosphäre, durch die wöchentlichen schwedisch Stunden mit Lillemo und auch durch Babbel habe ich die Sprache doch schneller gelernt, als ich im Voraus gedacht habe. Zwar kann ich noch lange nicht perfekt schwedisch sprechen, aber ich kann mich mittlerweile gut verständigen.
Elche und Schneehosen
Meinen ersten Elch habe ich wider Erwarten weder in der freien Natur noch lebendig gesehen, sondern auf meinem Teller als Pater Peter für uns gekocht hat. Meinen ersten lebendigen Elch habe ich dann bei Emilys und meinem Besuch bei Achim im Skansen in Stockholm gesehen. In Abisko habe ich schließlich nicht nur einen, sondern gleich drei lebendige Elche in der freien Natur gesehen. Dort ist dann auch meine Schneehose zum Einsatz gekommen, wobei ich auch eine Woche später bei unseren täglichen Spaziergängen in Vadstena bei minus vierzehn Grad sehr glücklich über meine Schneehose war. Ich war also schlussendlich doch froh, dass ich meine Schneehose trotz Platzmangel noch eingepackt habe.
Zum Schluss möchte ich mich nicht mit einem hejdå verabschieden, sondern mit einem vi ses, was so viel heißt, wie "wir sehen uns". Ich bin mir nämlich sicher, dass ich nicht zum letzten Mal in Schweden war!