Ein Jahr Kopenhagen - Abschlussbericht

Laurens war für ein Jahr in Kopenhagen.
Laurens war für ein Jahr in Kopenhagen.

Am 01.09.2020 begann mein Praktikum in Kopenhagen.

Anfangs dachte ich, dass Dänemark, weil es so nahe an Deutschland liegt, nicht wirklich mit großen Unterschieden überraschen könnte. Dieser Gedanke hat sich aber schnell als falsch erwiesen.

Es begann schon mit der Schätzung der Distanzen. Zunächst hab ich mir die Stadt viel kleiner vorgestellt, weshalb ich für den Weg vom Hauptbahnhof zu meinem Zimmer in der Sankt Kjelds Gade 3 nicht 25 Minuten, wie ich annahm, sondern etwas mehr als eine Stunde brauchte.

Angekommen bin ich deshalb mit einer halben Stunde Verspätung, weshalb mich auch niemand an der Tür empfing. 

Neue Menschen - neue Inspirationen

Um die Zeit zu überbrücken, bis Joseph, der Host des Studentenwohnheims, mir die Schlüssel übergeben konnte, hab ich mich in der Nähe umgesehen und dabei einen Kiosk im Jagtvej  entdeckt, wo ich Vali kennenlernte, einen Iraner, der seit 30 Jahren in Dänemark lebt.

                                                 

Wir hatten auf Anhieb einen Draht zueinander und ich habe viel Zeit mit ihm und seinem Sohn, der den Kiosk betreibt, verbracht. Ich lernte etwas Dänisch von den beiden und wenn ich Fragen hatte, über die Kultur und die Eigenart der Dänen, die ich allmählich als doch sehr unterschiedlich von der der Deutschen empfand, hatten die beiden stets Erklärungen – wenn natürlich auch geprägt durch die Perspektive ihrer eigenen Kultur.

Laurens Zimmer in Kopenhagen. 

Veränderungen durch Corona

Bevor die Zeit in der Schule begann, die aufgrund der Corona-Pandemie meine einzige Einsatzstelle war (die Caritas Einrichtung, die als zweiter Praktikumsort vorgesehen war, sagte mir wegen Gesundheitsprävention ab), hatte ich noch zwei Wochen Zeit, um anzukommen. Ich nutzte sie, um erste Termine für das Bürgeramt zu machen und mich etwas in der Stadt zurecht zu finden. Mein Ansprechpartner vor Ort war Martin, der mir dabei behilflich war.

 

Was einem sofort auffällt, wenn man aus Berlin kommt, ist, dass Kopenhagen sehr sauber ist und die Metros ohne Fahrer fahren. 

Arbeit in der Sankt Knud Lavard Grundschule

Nach den zwei Wochen Orientierung fing ich dann die Freiwilligenarbeit an der Sankt Knud Lavard Grundschule in Lyngby an. Anfangs habe ich viel Zeit mit den Vorschulkindern verbracht und half in den Deutschstunden der 8. und 9. Klasse. Weil mein Dänisch noch nicht so gut war, hatte ich stark das Gefühl, mehr von den Kindern zu lernen als ihnen zu vermitteln.

In der Vorschulklasse zum Beispiel, wo Memory gespielt wurde, um Reime zu erlernen, war ich schnell die Person, die (weil ich den Großteil der Wörter nicht kannte) das Spiel verlor und deswegen den kleinen Robin um Hilfe fragen musste, der gerade einmal 5 Jahre alt war.

Unterschiede zu deutschen Schulen

Die Schule in Dänemark war eine ziemliche Überraschung für mich und vieles befremdlich. Ein großer Unterschied ist, dass die Grundschule bis zur neunten Klasse reicht und der Umgang zwischen Lehrern und Schülern sehr viel partnerschaftlicher geprägt ist als in Deutschland. Einmal habe ich mir daraus ein Spaß gemacht und im Deutschunterricht der neunten Klasse etwas „durchgegriffen“, indem ich den autoritären Deutschlehrer gab: Die Lehrerin Monika war noch nicht in der Klasse und ich wollte etwas Disziplin schaffen. Also sagte ich zu den Schülern, die, obwohl der Unterricht schon seit einer Minute angefangen hatte, noch überall im Klassenraum verstreut waren, dass sie bitte auf ihre Plätze gehen sollten. Ich bat sie auch darum, ihre Laptops zuzuklappen und ihre Handys in ihre Schultaschen zu legen. Als ein Mädchen drei Minuten zu spät kam, fragte ich sie, warum sie sich verspätet habe. Das (zu fragen) ist etwas, was man in Dänemark eigentlich nicht macht. Geantwortet hat sie (vermutlich deswegen) nicht und als Monika im Nachhinein zu mir sagte, dass das Mädchen nicht mehr mit mir Deutsch üben wolle, weil sie meine Art als bedrohlich erlebte, verdeutlichte nochmal, dass Dänemark und Deutschland, doch sehr verschieden sind.

Ich muss noch nachtragen, dass ich mich natürlich später bei der Schülerin entschuldigt habe.

Den Deutschunterricht konnte ich jedoch trotzdem nicht weiter machen – Corona ließ das nicht mehr zu.

Arbeit mit dem Hausmeister Jan

Laurens während der handwerklichen Arbeit in der Schule.
Laurens während der handwerklichen Arbeit in der Schule.

Hier kommt jetzt der Hausmeister Jan (ausgesprochen „Jän“) ins Spiel.

Er hat als 16-jähriger eine Ausbildung als Klempner gemacht, lange in dem Beruf gearbeitet, sich zwischenzeitlich als Umzugshelfer selbstständig gemacht und auch auf dem Bau und in Fahrradläden gearbeitet. Er ist jetzt 60 Jahre alt, klein, stämmig, hat kurze Haare und ist seit 4 Jahren der Hausmeister der Schule. Jan redet oft mit den Schülern, spielt auch gelegentlich mit ihnen Fußball und ist größtenteils glücklich (wie die meisten Dänen).

 

Weil die Schüler Home-Schooling hatten, arbeiteten Jan und ich gemeinsam. Wir renovierten das Musikzimmer, bauten Stühle und Fahrradüberdachungen, reparierten Spinde, wechselten Herdplatten sowie Waschmaschinen, und taten viele andere Kleinigkeiten, die an einer Schule zu tun sind, die 50 Jahre auf dem Buckel hat. Es war eine wirklich schöne Zeit.

Besondere Arbeitsmoral der Dänen

Jan hat mir viel beigebracht und mich auch vieles selbst machen lassen. Besonders aufgefallen ist mir dabei besonders seine dänische Arbeitsmoral.

Die Unterschiede zur deutschen wurden ganz gut deutlich, als ich den Flur vor dem Lehrerzimmer streichen musste. Ich hatte die Tage davor schon gemalt und nicht mehr wirklich Lust, noch weiterzumachen - aber ich wollte fertig werden. Also fing ich um 8.00 Uhr an zu streichen und war gegen 16.00 Uhr fertig. Mir war schon aufgefallen, dass nicht alles ganz gleichmäßig war (…) und hatte mich darauf eingestellt, am nächsten Tag nochmal die eine oder andere Stelle ausbessern zu müssen.

Als ich am nächsten Tag kam, begrüßte Jan mich schmunzelnd und meinte, dass die Arbeit, die ich getan hätte, ihn „mehr an ein Bild von Picasso als an eine bemalte Wand“ erinnere. Er fragte mich auch, warum ich nicht wie üblich um 14.00 Uhr nach Hause gegangen sei, und am nächsten Tag weiter gemalt hätte - was ich mich hinterher auch selbst fragte.

 

Das zeigt ganz gut, dass mein innerer Anspruch, fertig zu werden, nicht ganz mit dem von Jan konvergierte, der darin besteht, die Arbeit bis Feierabend gut zu machen und am nächsten Tag dort fortzufahren, wo man aufgehört hat. Das brachte Jan zwei angenehme Arbeitstage und Feierabende ein und mir eine schöne Portion Stress...

 

Den Flur musste ich zum Glück nicht nochmal streichen und danach konnte ich auch die langen 30 Minuten Pausen besser genießen in dem Wissen, dass wir auch danach gut und tüchtig arbeiten würden und keine Arbeitszeit verschwenden.

Einsatzstelle Garten der Jesuiten

Bei der Arbeit im Garten der Jesuiten lernte Laurens (l.) Florian kennen.
Bei der Arbeit im Garten der Jesuiten lernte Laurens (l.) Florian kennen.

In der Zeit der Pandemie arbeitete ich auch im Garten der Jesuiten. Hier lernte ich Florian kennen. Er ist ein 32-jähriger Doktorand an der DTU, kommt aus einem Dorf in Bayern und lebt seit 4 Jahren in Dänemark. Wir haben oft die Donnerstage und Freitage im Garten verbracht, Unkraut gejätet und eine Beet-Begrenzung aus Steinen gebaut. Es war sehr schön, mit jemandem zu arbeiten, der auch Deutsch spricht und wir verstanden uns auch sonst gut, mit einem ähnlichen Sinn für Humor. Wahrscheinlich haben wir uns aber auch deshalb so gut verstanden, weil die Kultur der Bayern und Brandenburger doch ähnlicher ist als die dänische. Würde ich sowas in Potsdam sagen, erntete ich sicher Widerspruch, aber aus Sicht eines Ausländers in Dänemark steckt da schon ein Körnchen Wahrheit drin. 

Coronazeit bestens genutzt

Laurens und seine Mitbewohner:innen in Kopenhagen.
Laurens und seine Mitbewohner:innen in Kopenhagen.

Gemeinsame Zeit habe ich auch mit meinen Mitbewohner*innen Michelle, Kaja und Stanley verbracht. Obwohl wir aus sehr unterschiedlichen Teilen der Welt kommen (England, Polen, Nigeria) und entsprechend verschieden sind, verstanden wir uns doch sehr gut miteinander. Wir hatten immer interessante Unterhaltungen.

 

Die prägendste Erfahrung in dieser für viele meiner Mitschüler*innen durch Corona so ausgebremsten Lebensphase war die interkulturelle Situation. Dafür bin ich echt dankbar.

 

Während zu Hause die meisten im Lockdown verbrachten, Zoom-Konferenzen oder Uni-Seminare am Laptop abhielten, hatte ich zumindest die Möglichkeit, ein Land, eine Stadt kennenzulernen, die ich bisher nicht kannte, dort Freundschaften zu schließen, eine Sprache (etwas) zu erlernen und meine Vorliebe für praktische Arbeiten ausleben zu können. 

Laurens

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