Die letzten elf Monate habe ich im Rahmen des "Praktikums im Norden" in Bergen gelebt und gearbeitet. Für mich waren es elf sehr ereignisreiche Monate - mit neuen Erfahrungen und vielen schönen Erinnerungen im Gepäck kehre ich nun nach Deutschland zurück.
Von Roadtrips durch das gesamte Land, über Wanderungen durch verschneite Landschaften und nationalen Feierlichkeiten über das Erklimmen der Hausberge Bergens bis hin zu Reisen auf norwegische Inseln und einem unvergesslichen Trip bis an den Rand des Nordpols nach Spitzbergen war wirklich alles dabei! Und auch dank der Arbeit in meiner Einsatzstelle wurde es nie langweilig, aber lest gerne selbst :).
Bergen - meine neue Heimat
Bergen ist die zweitgrößte Stadt Norwegens. Sie liegt an der Westküste umgeben von sieben Bergen. Hier wurde ich im Kloster der Augustiner Chorherren aufgenommen und war Teil der Hausgemeinschaft. Neben mir und meinen beiden Mitpraktikanten Tim und Jonas gab es drei Priester, die mit uns im Kloster gewohnt haben: unser Mentor Lukas sowie Alois und Gregor. Außerdem wohnen noch zwei weitere norwegische Studenten im Haus. Im Kloster habe ich die Erfahrung gemacht, dass man grundlegende Lebensfragen anders beantworten kann, als es mir vertraut ist, und dass katholische Grundüberzeugungen zu unterschiedlichen Haltungen führen können. Auch wenn ich mich selbst im Rückblick mit vielen Einstellungen nicht identifizieren kann, habe ich mich im Kloster wohl und willkommen gefühlt. Dazu beigetragen hat sicher auch, dass ich in einem sehr schönen Zimmer mit eigenem Bad im Dachgeschoss wohnen durfte, von dem aus man einen tollen Blick über Bergen hat.
Bergen selbst habe ich als sehr schöne und naturnahe Stadt kennenlernen dürfen. Bereits vor Weihnachten hatte ich alle sieben umliegenden Stadtberge mindestens einmal erklommen und die tolle Aussicht aus verschiedenen Perspektiven auf die Stadt genossen. Aber auch kulturell hat Bergen viel zu bieten: So habe ich zum Beispiel verschiedene Konzerte besucht und auch die zahlreichen Kunstmuseen der Stadt haben mir gut gefallen.
Meine Einsatzstelle – das St. Paul Gymnasium
Ich habe während meiner Zeit in Norwegen hauptsächlich am St. Paul Gymnas gearbeitet - die einzige weiterführende katholische Schule in Norwegen. Wenn ich gefragt werde, was zu meinen Aufgaben gehörte, antworte ich gerne mit "alles, was gerade so anfällt".
Die meisten Aufgaben waren administrative Büroaufgaben, die ich von meinem Mentor Lukas, der im Gymnasium als Schulpriester arbeitet, zugeteilt bekommen habe.
Außerdem hat der Hausmeister, der auch Paul heißt, immer ein Projekt, bei dem er gerade Hilfe braucht. So habe ich während meiner Zeit zum Beispiel unter anderem viel Laub geblasen oder eine alte Küche aus einem der Räume im Gymnasium ausgebaut.
Zu den Schülerinnen und Schülern hatte ich leider auf Grund der anhaltenden Corona-Pandemie weniger Kontakt als ich anfangs erwartet habe. Der Deutschunterricht, der normalerweise einen Umfang von drei Wochenstunden umfasst, war über längere Zeit nur online möglich. Auch die Hausaufgabenbetreuung konnte ebenso nicht wie geplant stattfinden.
Dafür gab es jedoch des Öfteren Lehrkräfte, die in Quarantäne waren oder eine zusätzliche Aufsicht im Unterricht brauchten. Dann war es oft meine Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler zu beaufsichtigen.
Die verschiedenen Aufgaben in der Schule waren ohnehin sehr abwechslungsreich: Neben der Arbeit im Gymnasium habe ich auch die Haushälterin im Kloster beim Reinigen oder Einkaufen unterstützt. Hier konnte ich insbesondere erfahren, welchen Mehrwert meine Anwesenheit für die Menschen in meiner Einsatzstelle in Bergen darstellt. Ich glaube daher, dass das Praktikum am St. Paul Gymnasium das Potential bietet, dass man sich als Freiwilliger persönlich deutlich weiterentwickelt - auch wenn das unter den gegebenen Strukturen in den schwierigen Corona-Zeiten für mich nicht immer möglich war.
Meine Freizeit – lær norsk nå!
Zu meinen größten Hobbies in Norwegen gehörte das Erlernen der norwegischen Sprache. Ich hatte schon vor Beginn des Praktikums etwas Norwegisch gelernt, jedoch habe ich die größten Lernfortschritte erst durch die verschiedenen Sprachkurse gemacht, die teilweise online und teilweise in Präsenz stattfanden. Im Mai habe ich abschließend auch einen umfangreichen Sprachtest, den sogenannten Bergens-Test abgelegt und bestanden.
Zusätzlich zu den wöchentlichen Sprachkursen bin ich auch sehr gerne in ein Sprachcafé der Bibliothek in Bergen gegangen. Dort konnte man sich mit anderen zugewanderten Menschen über die norwegische Kultur und Sprache austauschen. Eine tolle Erfahrung!
Neben dem Erlernen der Sprache war ich sehr gerne draußen, egal ob auf Spaziergängen durch die Stadt oder bei Wanderungen in der Umgebung. Dadurch, dass Bergen recht überschaubar ist, ist man auch zu Fuß ohnehin sehr schnell im Grünen.
Meine Reisen – zwischen Spitzbergen und Stavanger
Glücklicherweise hatte ich während meines Praktikums oft die Möglichkeit, Norwegen zu bereisen. Weil die Grenzen mehr oder weniger das ganze Jahr geschlossen waren, konnte ich zwar keinen Besuch empfangen und selbst nicht in andere Länder reisen. Auf der anderen Seite konnten aber auch keine Touristen einreisen und es war überall deutlich weniger los als normalerweise.
Gleich zu Beginn des Jahres war ich zusammen mit Jonas und Tim mehrmals in Trondheim, um die Bischofsweihe für das Bistum Mittelnorwegen vorzubereiten. Es war sehr interessant, einen solchen Prozess zu begleiten, und ich bin sehr dankbar dafür, dass wir diese Erfahrung machen durften.
Im Herbst bin ich zusammen mit Tim für eine Woche nach Tromsø in Nordnorwegen geflogen. Wir hatten eine sehr schöne Zeit dort und waren begeistert von der arktischen Landschaft und Lebensweise.
Im November haben wir außerdem unseren Kolleginnen Elske und Franka einen Besuch in Oslo abgestattet. Mir persönlich hat Oslo sehr gut gefallen, besonders die vielseitige Architektur hat mich beeindruckt. Außerdem war es interessant, sich über die gemachten Erfahrungen mit den Norwegern und ihrer Kultur und Sprache auszutauschen. Leider waren die vielen interessanten Museen in Oslo geschlossen, aber trotzdem haben wir schöne Tage verbracht.
Auf beeindruckenden Wegen
Anfang März bin ich außerdem gemeinsam mit Tim und Jonas auf einen Roadtrip in die mittelnorwegische Region Romsdalen gefahren. Das war definitiv eins der Highlights des Jahres, da wir dort mehrere atemberaubende Wanderungen gemacht haben. Mehr könnt ihr in meinem Blogbeitrag vom März lesen.
In den Osterferien war ich zudem auf der Insel Stord südlich von Bergen und in Stavanger, Norwegens viertgrößter Stadt. Auch an diesen beiden Orten habe ich sehr schöne Tage verbracht, die für mich eine erfrischende Abwechslung zum Büroalltag waren. Mein Highlight hierbei: Die kilometerlange Wanderung zum Felsplateau Preikestolen inklusive Weitblick auf die umliegende Natur und einem wunderschönen Sonnenuntergang.
Vor dem Nationalfeiertag am 17. Mai war ich gemeinsam mit Tim zuerst auf der Hardanger-Hochebene, um dort auf die bekannte Trolltunga (Trollzunge) zu wandern. Nachdem wir gemeinsam den Nationalfeiertag in Bergen gefeiert hatten, ging es für uns erneut in den Norden, weil es uns dort im Herbst so gut gefallen hatte. Diesmal waren wir auf der traumhaften Insel Dønna in der Nähe von Sandnessjøen zu Gast.
Roadtrip mit dem Mentor
Kurz vor Ende des Praktikumsjahres haben wir mit unserem Mentor Lukas einen Roadtrip in die Fjordlandschaften Mittelnorwegens gemacht. Dort haben wir zum Beispiel trotz des sehr kalten Wassers im Fjord gebadet.
Bis ganz in den Norden
Mein persönliches Highlight war allerdings unsere eigene Abschlussreise nach Svalbard (Spitzbergen). Mit fast 80 Grad nördlicher Breite liegen die Inseln kurz vor dem Nordpol und die Siedlung Longyearbyen, in der wir übernachtet haben, ist die nördlichste dauerhaft besiedelte Siedlung der Welt. Hier haben wir unter anderem eine Bootsfahrt zu einer verlassenen russischen Steinkohlestadt und eine Quad-Tour unternommen.
Eine wertvolle Zeit
Ich bin sehr dankbar, mein Praktikum im Norden in Bergen verbracht zu haben, auch wenn das Jahr anders war, als ich es mir zu Beginn vorgestellt hatte. Einen besonderen Dank möchte ich an Tim und Jonas richten. Wir waren ein super gutes Team und ich bin froh, dass wir gemeinsam durch persönliche Höhen und Tiefen gehen konnten.
Norwegen wird mir definitiv als traumhaftes Land in Erinnerung bleiben, das ich auch in Zukunft noch öfters besuchen möchte. Auch wenn es schade ist, Norwegen zu verlassen und das Praktikum damit abzuschließen, ist es ein Trost zu wissen, dass man immer wieder willkommen ist und es noch viel zu entdecken gibt. In diesem Sinne - Vi ses Norge! (Wir sehen uns!)