"Clarita, was ist dein tragischstes Erlebnis?" – "Puh, gute Frage. Mir fällt gar keins ein."
Zu dieser Unterhaltung kam es, als wir uns in der allerersten Woche auf den Weg in den Wald zum 'Holzhacken' machten. Im September fiel mir da gar keine Antwort ein, aber nach meinen neun Monaten voller Abenteuer und neuer Eindrücke könnte ich einige Erlebnisse aufzählen. Vielleicht kann man sie nicht unbedingt als tragisch bezeichnen, aber in den Momenten schienen sie tragisch - bis man eine ganz einfache Lösung dafür gefunden hatte…
Ohne Erwartungen in ein neues Land
So, nun aber mal Klartext und ganz von vorne. Es war Juni, als Klara, Sonja und ich voller Vorfreude vor dem PC saßen, alle einige 100 Kilometer voneinander entfernt, noch kaum einander bekannt, als wir unseren Flug nach Schweden buchten.
Beim Vorbereitungsseminar wurde uns vorgeschlagen, schon mal die Blogeinträge von den vorherigen Praktikanten zu lesen, um erste Eindrücke zu erhalten. Klang ja ganz nett, aber ich wollte mir noch gar keine Vorstellungen von meinen nächsten sechs Monaten machen und stattdessen mit möglichst wenigen Erwartungen losreisen. Das Einzige, was ich mir erhoffte, war, dass wir auch zu diesem wunderschönen schwedischen Haus fahren würden, das öfters mal auf Bildern aus dem Praktikum gezeigt wurde. Dass dieses Haus künftig wie unser zweites Zuhause und zu dem für mich persönlich schönsten Ort der Welt werden würde, hätte ich vorher nicht gedacht.
Es ist ziemlich schwierig, meine Zeit in Schweden mit 1.000 Zeichen zu beschreiben, aber ich versuche halbwegs strukturiert vorzugehen, um möglichst viel zu erzählen.
Gewöhnliche Arbeitswoche = Abwechslungsreiche Woche
Eine gewöhnliche Woche sah für mich also folgendermaßen aus: Sie fing an mit der wöchentlichen "Måndagsmöte" – ein Treffen aller Mitarbeitenden des Newman-Institutes, das coronabedingt über Zoom stattfand. Neben witzigen Geschichten aus dem Leben eines Hausmeisters, von Hochschulprofessoren, Jesuiten und Praktikanten wurden auch philosophische Lebensfragen und Buchtipps thematisiert, weshalb das Treffen nicht selten die 60-Minuten-Marke knackte.
Da ich Schwedisch schon ein Jahr lang in der Uni gelernt hatte, klappte es schon ganz gut, die "Måndagsmöte" auf Schwedisch zu verstehen und von den Erlebnissen der Woche zu erzählen. Nach der "Möte" hatten wir bis Januar noch einen Schwedischkurs bei einer Mitarbeiterin des Newman-Institutes. Die Arbeit im Newman-Institut hat mir meistens am besten gefallen, da man nie genau wusste, was einen für den Tag erwartete. Außerdem waren unsere Aufgaben dort sehr vielfältig. Entweder brauchte Ricarda Unterstützung beim Index – das war wohl der tollste Job 😉 – oder es hatten sich Gäste angekündigt, für die wir die Zimmer vorbereiten mussten. Ebenfalls coronabedingt gab es nicht ganz so viele Gäste, und wenn, dann waren es meistens unsere eigenen Besucher (Familie, Konrad).
"Arbeitslos" gab´s nicht...
Aber auch unser Hausmeister hat schnell erkannt, wenn wir "arbeitslos" waren und so fiel ihm auch immer schnell eine Aufgabe für uns ein: Putz- und Aufräumarbeiten im Innenhof, Büros ausräumen und Weintrauben ernten gehörten zu den typischen, und – man betone – harmlosen Tätigkeiten. Denn besonders in der Zeit, als wir nicht zu unserer zweiten Einsatzstelle nach Stockholm fahren konnten, ließen wir fast täglich das Schicksal über uns ergehen, einen neuen Streichauftrag zu erhalten.
Aber im Nachhinein war es ja auch ganz lustig. Gute, motivierende Musik hatten wir auf alle Fälle 😊 Als Maler-Experten können wir uns jetzt definitiv bezeichnen. Wofür wir vier uns auf jeden Fall glücklich schätzen können, ist unser Café-Projekt, das für uns eigentlich schon von Anfang an auf dem Plan stand. Das Café im Newman-Institut hatte nämlich einen neuen Anstrich & Deko bitter nötig. Die dunkle Winterzeit war somit ebenfalls geprägt von Malerflies, Stockholm Vitt und allen Größen von Farbwalzen.
Von spontanen Ausflügen und langen Autofahrten
An einem Montag im Oktober fiel Philip (Rektor der Hochschule und einer der Jesuiten) dann auch noch eine Aufgabe für uns ein: ein spontaner Ausflug mit Uwe, dem Newman-Bulli, zu einem 1 ½ Stunden entfernten Bauernhof, um dort Elchfleisch abzuholen. Nicht nur durch solche spontanen Autotouren hat sich in der Zeit in Schweden mein Verhältnis zu großen Distanzen und spontanen Ausflügen geändert. Dieser Tag wird mir definitiv in Erinnerung bleiben, da wir so überrascht waren, dass wir das "mal eben so" machen sollten.
Highlights waren auch immer wieder, wenn wir in den Wald gefahren sind, um Holz zu hacken und Büsche zu mähen bzw. umzupflanzen. Ich kann fast sagen, dass das zu einem neuen Hobby geworden ist.
Ein katholischer Kindergarten in Schweden
Meine zweite Einsatzstelle war der katholische Kindergarten in Stockholm, in dem ich drei Mal die Woche war. Dort war ich in der Gruppe mit den größeren Kindern im Alter von 3 bis 5 Jahren, was mir auch sehr viel Spaß gemacht hat. Da die katholische Kirche in Schweden ja nicht sehr verbreitet ist und nur wenige Schweden katholisch sind, kamen viele der Kinder aus polnischen Familien. In meiner Gruppe war tatsächlich nur ein Kind, dessen Eltern aus Schweden kamen. Viele Kinder haben nach dem Wochenende auch erzählt, dass sie im Gottesdienst waren, was hingegen bei deutschen katholischen Kindern auch nicht mehr selbstverständlich ist. Das fand ich sehr interessant zu hören.
Durch das Spielen mit den Kindern hat sich natürlich auch mein Wortschatz im Schwedischen noch einmal deutlich erweitert. Den Erzieherinnen war es sehr wichtig, den Kindern einen hilfsbereiten Umgang näherzubringen, weshalb wir einmal pro Woche obdachlose Menschen aufgesucht haben, die u.a. vor den Supermärkten saßen, um ihnen Pfandflaschen und unsere Wertschätzung entgegenzubringen.
Mit einem Ohrwurm zurück nach Uppsala
In der letzten Zeit haben die Kinder dann für ihren großen Auftritt beim Sommerfest geübt, bei dem sie viele von den typischen Astrid Lindgren-Liedern gesungen haben. Daher bin ich oft mit einem Ohrwurm von "Hey Pippi Langstrumpf" oder dem Intro von Michel aus Lönneberga (natürlich auf Schwedisch) nach Hause gefahren.
Ab Januar ist Hannah auch mit mir zum Kindergarten gefahren, wo sie in der Gruppe mit den jüngeren Kindern war. Um 15 Uhr haben wir uns dann mit dem Zug auf den Rückweg nach Uppsala gemacht. Auf eine schöne Fika mit Sonja bei uns in der Küche haben wir uns schon immer gefreut.
Internationale Freundschaften
Nach der Arbeit oder am Wochenende haben wir uns ab und zu mit unseren Freunden getroffen, die wir anfangs in der Studentengemeinde kennengelernt haben. Auch dort hat man gemerkt, wie international die katholische Kirche in Schweden ist, denn wir hatten inzwischen mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern Freundschaften geschlossen. Leider konnten die Studentengemeinde-Treffen nach einem Monat nicht mehr in Präsenz stattfinden, weshalb wir uns stattdessen oft zum Wandern, Kochen oder Kubbspiel, einem Holzwurfspiel, im Park getroffen haben.
Reisen quer durch Schweden
Ein Highlight meiner Zeit in Schweden war unser Ausflug in den hohen Norden von Schweden nach Kiruna. Es war wirklich die beste Entscheidung, eine schöne Reise zu buchen, um sich auf etwas nach dem sehr dunklen und kalten Winter zu freuen. Von der Dunkelheit und Kälte blieben wir (damit meine ich Konrad, Sonja, Hannah, ein Freund von Konrad, eine Freundin aus unserer Studentengemeinde & mich) dort oben zwar auch nicht verschont, aber wir konnten so viele beeindruckende Sachen machen, beispielsweise eine Hundeschlittentour oder zahlreiche Schneewanderungen. Wir haben sogar Polarlichter gesehen, ein echtes Naturspektakel!
Im Frühling und Sommer haben wir dann dank des guten Wetters umso mehr Zeit in der Natur verbracht, natürlich auch in Marieudd. Ein Roadtrip im März ging noch nach Öland und Kalmar und als Abschlussausflug schipperten wir mit der Fähre nach Gotland, zur größten Insel Schwedens.
Aber über unsere Ausflüge haben wir ja schon viel in unseren Blogbeiträgen geschrieben. So viel kann ich aber verraten: Jeder einzelne Ausflug hat sich gelohnt!
Tack för allt!- Danke für alles
Ich könnte noch viele Seiten über meine Zeit in Schweden füllen, aber ich fürchte, jetzt muss ich auch mal zum Schluss kommen…Dass es mir in Schweden unglaublich gut gefallen hat, kann man schon daran sehen, dass ich sofort am 2. Tag daran gezweifelt habe, dass sechs Monate für mich hier zu wenig sind und ich das Praktikum doch noch verlängert habe. Dank des Bonifatiuswerkes war das kein Problem und es konnte alles in die Wege geleitet werden, dass ich noch länger bleiben konnte. Dafür möchte ich mich noch einmal herzlich bedanken.
Außerdem hat die Zusammenarbeit mit Ricarda als Mentorin und Freundin in Uppsala super geklappt. Aber auch Julia und Laura standen immer als Ansprechpartnerinnen im Bonifatiuswerk zur Verfügung. Beim Newman-Institut und besonders bei Philip, mit dem wir auch so viele schöne Ausflüge als Gruppe unternommen haben, möchte ich mich auch bedanken.
Eines noch, was ich selbst in der Zeit gelernt habe und was Ricarda uns sehr häufig gesagt und geraten hat, war, dass man immer wieder seine Komfortzone verlassen sollte. Wenn etwas im Alltag wieder ganz gewöhnlich wird, sollte man sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen und sich trauen, etwas Neues zu starten. Und dieses Motto möchte ich auch den nächsten Praktikantinnen und Praktikanten mitgeben: Wagt Neues, verlasst eure persönliche Komfortzone! 😊