Mittlerweile sitze ich wieder in Deutschland und frage mich: Wie schnell ist die Zeit in Riga vergangen? Und wie kann ich die vergangenen Monate, mit all meinen Erfahrungen und Erinnerungen in einen Abschlussbericht zusammenfassen, ohne dass es zu viel wird?
Ich versuche es einfach mal: Challenge accepted!
Meine Einsatzstellen
Eine meiner Arbeitsstellen war die Suppenküche der Schwestern der Nächstenliebe. Aufgrund von Corona konnte allerdings nicht mehr im Saal des Klosters gegessen werden. Stattdessen wurde das Essen draußen ausgeteilt, weshalb ich mich entschied, im Krankenzimmer auszuhelfen. Dort bestand meine Arbeit darin, die Verbände der bedürftigen Menschen zu wechseln, sowie ihre Wunden zu reinigen und zu verarzten. Auch wenn die Arbeit anstrengend und besonders am Anfang echt schwierig und ungewohnt war, hat sie mir sehr viel Spaß gemacht und ich war jedes Mal glücklich, als ich das Kloster verlassen habe.
Eine weitere Arbeitsstelle, die meinen Alltag in Riga bereichert hat, war die Arbeit im Tageszentrum für junge Menschen mit Mehrfachbehinderung. Dort habe ich zwei bis dreimal in der Woche gemeinsam mit meiner Mitpraktikantin Julia gearbeitet. Schwerpunkt unserer Arbeit war es, in der Kerzenwerkstatt auszuhelfen. Unsere Aufgabe war es dabei, insbesondere die Kerzen nach der Abkühlungsphase aus den Formen herauszunehmen und sie neu mit Dochten zu bestücken.
Eine weitere Aufgabe im Tageszentrum war es, die Bestellungen, die verschickt werden sollten, sicher und passend zu verpacken. Vor allem angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie ist die Nachfrage an den Kerzen sehr deutlich gestiegen. Dadurch sind wir nach kurzer Zeit sehr gut im Tetris spielen geworden und auch große Mengen von Bestellungen haben uns so keine Schwierigkeiten mehr bereitet. Außerdem war es schön zu sehen, dass wir den Mitarbeitenden durch das Verpacken der Pakete viel Arbeit abgenommen haben und sie dann entspannter andere Aufgaben erledigen konnten.
Kultureller Austausch und jede Menge spannende Begegnungen
Ich selbst habe zudem viel in der Kerzenwerkstatt dazugelernt: Sei es der Umgang mit behinderten Menschen, der für mich neu war oder aber auch die Sozialstruktur und die damit verbundene Problematik in Lettland, welche mir Dita, eine der Chefinnen, erklärt hat. Dank der Arbeit in der Kerzenwerkstatt habe ich zahlreiche Erfahrungen gewinnen können. Des Weiteren durfte ich auch viel über die Kultur dazulernen, sowohl über die Traditionen und Geschichte des Landes als auch über typische lettische Gerichte und Süßigkeiten.
In der deutschen Schule Riga, zu der ein Kindergarten, eine Vor- und Grundschule und ein katholisches Gymnasium gehören, habe ich darüber hinaus in der Vorschule zwei Mal pro Woche ausgeholfen.
Hier begleitete ich 16 Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren durch ihren Tag. In der Vorschule habe ich so die Kinder im Unterricht und bei Projektaufgaben betreut, mit ihnen gespielt
und gemalt und dank des individuellen Kontakts auch viel von ihnen dazulernen dürfen.
Corona und seine Folgen
Auf Grund der erhöhten Corona-Fallzahlen in Lettland wurden jedoch Mitte November weitere Maßnahmen sowie ein Lockdown beschlossen, weshalb es uns seitdem leider nicht mehr möglich war, in allen Einsatzstellen weiterzuarbeiten. Davon war u.a. die Einsatzstelle bei der Caritas betroffen, wo meine Mitpraktikantin Eva und ich einen Englischkurs angeboten haben.
Außerdem habe ich die Mitarbeitende Ariana bei dem Deutschkurs für Senioren unterstützt und mich selber auch als Deutschlehrerin versucht. In dem Deutschkurs habe ich so viel über die Geschichte und die Traditionen Lettlands gelernt, aber auch viel über die Menschen erfahren, die am Sprachkurs teilgenommen haben. Deshalb war es umso trauriger, als der Kurs nicht mehr stattfinden durfte.
Unterstützung in Krisensituationen
Eine weitere Einsatzstelle war das Krisenzentrum des Roten Kreuzes, wo ich mit Julia einmal in der Woche auf Kinder im Alter von sechs Monaten bis 14 Jahren aufgepasst habe. Dort haben wir meist mit den Kindern gespielt, gebastelt oder andere Aktivitäten unternommen. Da durfte natürlich das Plätzchen-Backen nicht fehlen!
In meinem letzten Monat in Riga haben Julia und ich außerdem eine weitere Einsatzstelle des Roten Kreuzes besucht. Dort haben wir vier Mütter und ihre Kinder, die zwischen einer Woche bis zweieinhalb Jahren alt waren, im Alltag begleitet, mit ihnen gespielt und gebastelt aber auch gemeinsam gekocht oder Spaziergänge gemacht. Auch hier war die Dankbarkeit für unsere Arbeit jeden Tag zu spüren, ein tolles Gefühl!
Mein Zuhause im Kloster
Mein Zuhause war für die Zeit das Kloster der Dominikanerinnen von Bethanien in Riga. Zum Leben im Kloster gehörte es auch, bei kleineren Aufgaben mitzuhelfen. Darunter zählten zum Beispiel das Bänkerücken in der Kapelle, das Fensterputzen oder auch die Apfelernte, an der wir Praktikantinnen am Anfang des Praktikums als erste Aufgabe in unserer coronabedingten Selbstisolation teilgenommen haben.
Julia und ich haben außerdem bei dem Dekorieren der Kirche für Ostern geholfen, was durch die Gesellschaft von Schwester Hannah immer lustig war. An Ostern haben wir zudem gemeinsam mit den Schwestern gefeiert. Das war wirklich eine einmalige Erfahrung und wird mir definitiv in guter Erinnerung bleiben.
Mein anderes kleines Highlight war, als die Schwestern eine junge Hündin namens Betty bekommen haben. Sie soll als Therapiehund ausgebildet werden und so haben wir viel Zeit mit Betty, dem Neuzuwachs im Kloster zum Beispiel vor dem gemeinsamen Mittagessen mit den Schwestern, verbracht.
Freizeit in Riga: Museen, Ski-Langlauf und ein Bungee-Sprung
In meiner Freizeit habe ich ganz viele unterschiedliche Sachen unternommen, die mein Praktikum noch vielfältiger gemacht haben. Ich habe mich beispielsweise am Langlauf ausprobiert, was für Julia sicherlich ein lustiger Anblick war. Wir hatten aber definitiv beide unseren Spaß! Auch war ich Snowboard fahren und ich habe einen Bungee-Jump gemacht, der mich viel Überwindung gekostet hat.
Außerdem habe ich in der Zeit gerne Museen besucht, mir Riga angeschaut und mich in der Innenstadt aufgehalten. Dazu zählte auch der ein oder andere Besuch im Hard Rock Café oder anderen Restaurants und Cafés, solange diese natürlich noch auf hatten. Später kamen zahlreiche Lagerfeuer dazu und ich war gerne in der Natur spazieren. Auch habe ich mich oft mit Trui, einer Belgierin, die auch in der Kerzenwerkstatt gearbeitet hat, zum gemeinsamen Kochen oder - der weitaus bequemeren Variante - zum Essen bestellen getroffen.
Mit dem BONI-Bus quer durch Lettland
Erwähnenswert sind auch die Roadtrips, die Julia und ich unternommen haben. Oft sind diese spontan in den Mittagspausen entstanden, während wir überlegt haben, was wir am Wochenende oder an freien Tagen unternehmen könnten. Die Reiseziele führten uns immer an neue Orte, weshalb wir am Ende unseres Praktikums wirklich durch ganz Lettland gefahren sind und uns sämtliche Sehenswürdigkeiten, wenn auch manchmal nur von außen, angeschaut haben. Dabei sind nicht nur wir, sondern auch der BONI-Bus an seine Grenzen gestoßen, aber wir alle sind immer wieder heile mit unvergesslichen Erinnerungen nach Hause gekommen.
Unser letzter gemeinsamer "Roadtrip" führte uns schließlich nach Schweden, wo wir die anderen Praktikantinnen und Praktikanten, die in Uppsala und Stockholm im Einsatz sind, besucht haben. Dort haben wir in Marieudd bei der Arbeitswoche geholfen und den Geburtstag unserer Mitpraktikantin Hannah gefeiert. Außerdem waren wir bei der Caritas in Stockholm, haben dort einen Vormittag lang mitgearbeitet und danach noch die schwedische Hauptstadt erkundet. Auch haben wir gemeinsam viele Spaziergänge durch Uppsala gemacht und an zahlreichen schwedischen Kaffeepausen, den sogenannten Fikas, teilgenommen. Generell war die Reise nach Schweden ein weiteres Highlight und ein schöner, aber auch trauriger Abschluss des Praktikums.
Der Abschied fällt schwer: Paldies, Riga!
Ich hätte nie gedacht, dass ich in dieser kurzen Zeit so viel erlebe aber auch so viel lernen würde und es gibt wirklich viel, wofür ich dankbar bin. Außerdem kann ich sagen, dass Riga auf jeden Fall einen Besuch wert ist und definitiv unterschätzt wird - nicht nur, weil Riga so vielfältig ist.
Ich möchte mich an dieser Stelle außerdem herzlich für die Unterstützung des Bonifatiuswerks bedanken, das diese großartige Zeit auch trotz Corona-Pandemie erst möglich gemacht hat.
Ein weiterer Dank geht an die Dominikanerinnen von Bethanien, darunter besonders an Schwester Hannah, die, egal zu welcher Uhrzeit und in welcher Situation ich mich gerade befunden habe, stets ein offenes Ohr für mich hatte, mir immer geholfen und wertvolle Ratschläge gegeben hat.
Paldies, Riga!