Abschiede sind schwer. Besonders von Menschen und Orten, die einem ans Herz gewachsen sind. Einem Zuhause.
Vadstena ist für mich zu solch einem Ort geworden und ich empfinde sehr große Dankbarkeit dafür, für zehn Monate ein Teil davon gewesen zu sein.
Duktiga flikor (fleißige Mädchen)
„Duktig“ ist schwedisch und heißt übersetzt soviel wie fleißig / tüchtig. Dies war eins der ersten neuen Wörter, welches ich in meiner Anfangszeit in Vadstena gelernt habe. Es tat immer wieder gut zu spüren, wie sehr meine Arbeit wertgeschätzt wurde.
Die Dankbarkeit Aller war die beste Belohnung für die getane Arbeit. Vormittags waren wir im Gästehaus der Birgitaschwestern zuständig für das Frühstück, das Putzen der Zimmer, der zahlreichen Badezimmer (laut einer Mitpraktikantin befindet sich hinter jeden zweiten Tür eins...) oder der Kirche, das Einkaufen, Kochen, Backen und andere anfallende Aufgaben. Ein, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil unseres Arbeitsmorgens war die tägliche 10 Uhr Fika. Eine Auszeit mit Kaffee und Kuchen gemeinsam mit allen Freiwilligen. Nachdem das Gästehaus Mitte März coronabedingt schließen musste, haben wir kleine Renovierungsarbeiten und Aufgaben im Garten übernommen.
Min Fritid (Meine Freizeit)
Nachmittags hatten wir meistens Freizeit, die ich oft mit meinen Mitpraktikantinnen verbrachte. Wir haben im Gospelchor mitgesungen, Spiele-nachmittage und Serienabende veranstaltet, waren im Fitnessstudio und beim „Språkcafe“ (sehr zu empfehlen um Bekanntschaften außerhalb des Gästehauses zu knüpfen), sind im See geschwommen, haben gemeinsam die Umgebung erkundet und alle zwei Wochen am Treffen der „St. Nikolai Student Group“ in Linköping teilgenommen. Die Treffen waren eine willkommene Möglichkeit sich mit anderen jungen Katholiken über Gott und die Welt auszutauschen.
Risikoland Schweden
„Und wie hast du die Coronalage in Schweden wahrgenommen?“ Diese Frage wird mir seit meiner Rückkehr sehr häufig gestellt. Klar, die Frage ist naheliegend, da Schweden eine andere Strategie gewählt hat als andere europäische Länder. Ich habe die Coronazeit in einer Kleinstadt erlebt und mich größtenteils im Gästehaus aufgehalten, welches bereits Mitte März zum Schutz der Schwestern geschlossen. Das gemeinsame Osterfest, intensive gemeinsame Zeit und die Outdoor-Gottesdienste mit der Gemeinde haben das Gemeinschaftsgefühl untereinander deutlich gestärkt und sind zu einem wichtigen Bestandteil meines Auslandsaufenthaltes geworden. Ich bin dem Bonifatiuswerk sehr dankbar, dass ich meinen Auslandsaufenthalt wie geplant fortsetzen durfte. Wer hätte im September gedacht, dass ich mal sagen kann, mein Auslandsjahr in einem „Risikoland“ zu verbringen.
In Vadstena waren (fast) alle mal
Die Besuche meiner MitpraktikantInnen aus Uppsala, Stockholm, Kopenhagen, Bergen, Oslo, Tartu und Riga waren für mich sehr wertvoll. Sich über die Praktikumszeit auszutauschen, Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Eigenheiten der verschiedenen Nationalitäten herauszufinden und ihnen die eigene Praktikumsstelle zeigen zu können war sehr schön. Gerne haben wir auch die Möglichkeit für einen Gegenbesuch genutzt. Ich bin sehr glücklich, dass wir so gut in Kontakt geblieben sind.
Jag hälsar dig vännaste Land uppå jord (Ich grüße dich, lieblichstes Land der Erde)
Diese Zeile aus der schwedischen Nationalhymne, welche viel von der Natur handelt, beschreibt wie wunderschön Schweden auch für mich ist. Die Menschen, die Kultur die Natur und die Sprache sind mir innerhalb der zehn Monate sehr an Herz gewachsen.
Mehrmals habe ich Schwedens wunderschöne Hautstadt Stockholm und die Studentenstadt Uppsala erkundet und dort Madeleine, Pauline und Catalina besucht. Im März war ich mit einer Freundin aus Deutschland in Göteborg. Mit meinen Mitpraktikantinnen habe ich Östergötland und die nördlichste Stadt Schwedens, Kiruna, unsicher gemacht. Als wir im Januar erzählten, dass wir dorthin wollen, kam von den Schweden oft die Frage „In den Norden und das im Januar, warum?“ Viele Schweden, die ich kennenlernen durfte, waren tatsächlich noch nie nördlicher als Uppsala. Die lange Zugfahrt und die Kälte haben sich auf jeden Fall gelohnt, denn wir wurden mit viel Schnee, wunderschöner Natur, einer Hundeschlittentour und den Polarlichtern belohnt. Mehrmals durften wir zudem ein paar Tage Auszeit in Bibbi's typisch schwedischem Sommerhaus genießen.
Durch das Verständnis der Birgittaschwestern hatte ich die Möglichkeit viel zu reisen, was ich nie als selbstverständlich erachtet habe.
Jul, Jul, stråhlande Jul (Weihnachten,Weihnachten,strahlende Weihnachten)
Die Advents- und Weihnachtszeit war in Vadstena eine besonders magische Zeit. Lichterbögen in den Fenstern, Schmücken des ganzen Hauses, Backen und Besinnlichkeit. Die erste Weihnachtsstimmung, kam bei unserer Reise in das bereits weihnachtlich geschmückte Kopenhagen Mitte November auf. Diese Stimmung wurde bei mir durch schwedische Traditionen, wie das Luciafest und den Nobeldagen, ein Wochenende mit allen Schwedenpraktikantinnen in Marieudd und unseren Aufenthalt im vorweihnachtlichen Riga verstärkt.
Weihnachten habe ich mit Anna, Livia, Madeleine, Pauline, Alex, Greta, Claire und Antonia im Gästehaus gemeinsam mit den Schwestern gefeiert. Nach einigen besinnlichen Tagen ging es für uns mit der Fähre nach Estland, wo wir in Tallinn ins neue Jahr getanzt sind und Alex Einsatzort Tartu besucht haben. Diese zwei Wochen waren unvergesslich und es war die beste Entscheidung Weihnachten in Vadstena zu verbringen.
Hoch die Hände Sonnenwende
Wer hätte es im dunklen Winter für möglich gehalten, dass die Sonne mal nicht mehr komplett untergeht. Midsommar war eine Belohnung für die dunkle Jahreszeit und ein gelungener Abschied von Schweden.
Tack – Danke – Thank you
Ein ganz großes TACK an alle Menschen die diese 10 Monate zu dem bisher besten Jahr meines Lebens gemacht haben.
In diesem Jahr habe ich nicht nur meine hauswirtschaftlichen Fähigkeiten verbessert, Schwedisch gelernt und bin selbständiger geworden, sondern habe mich und meinen eigenen Glauben und die katholische Kirche besser kennengelernt. Meine Erwartungen an diese Zeit wurden übertroffen und ich würde das „Praktikum im Norden“ jederzeit weiterempfehlen. Dieser Ort und seine Menschen haben mich für meinen weiteren Lebensweg geprägt. Ich durfte hier so viele verschiedene Menschen mit ihren Geschichten und Lebenseinstellungen kennenlernen. Mit großer Sicherheit kann ich sagen: Dies war nicht mein letzter Besuch an diesem besonderen Ort am Vättern. Jag kommer tillbaka!
Kram