Und wie wir das waren! Und wie ich es geliebt habe. Zehn Monate habe ich im Herzen von Uppsala gewohnt und gearbeitet. Ich habe meinen neuen „schwedischen“ Alltag genossen und auch auf jede Reise habe ich mich gefreut. Manchmal konnte ich gar nicht fassen, dass ich all das wirklich erlebe und dass ich so ein Glück hatte, zehn Monate ein Praktikum in einem so wunderschönen Land zu absolvieren. Wie kann ich all das in einen Abschlussbericht stecken? Meinen Versuch könnt ihr hier lesen.
Zwischen Scannen und Keksen - eine typische Woche
Mein Praktikumsalltag sah so aus, dass ich montags und freitags am Newmaninstitut in Uppsala gearbeitet habe, während es dienstags bis donnerstags für mich nach Stockholm zum Caritas Mötesplats ging. Die Woche startete somit immer mit der sogenannten „måndags-möte“, einem Treffen der MitarbeiterInnen des Newmaninstituts. Bei diesen Treffen erzählte jede und jeder, was die kommende Woche ansteht und was das vergangene Wochenende so mit sich brachte.
Ansonsten gestaltete sich unsere Arbeit am Newmaninstitut sehr abwechslungsreich, vom Scannen, Post sortieren, Feiern organisieren, Gästezimmer betreuen, bei der Waldarbeit helfen, das Café umsorgen, Aufgaben in Marieudd, dem Ferienhaus der Hochschule, erledigen oder in der Bibliothek helfen, alles war dabei. Während unserer Tage am Newmaninstitut war Ricardas Büro mein Lieblingsort am Newman (abgesehen vom Kopierraum ;-), dort konnten wir immer gemeinsam lachen und über alles Mögliche sprechen.
In der Zeit meines Praktikums, in der Corona allgegenwärtig war, wurde es etwas stiller am Newman-Institut. Vorlesungen fanden online statt und es kamen auch keine Gäste mehr nach Uppsala. So erledigten Madeleine und ich Aufgaben außerhalb der Hochschule, unterstützten die Schwestern der Gemeinde oder genossen die Natur. Ich bin froh und dankbar, dass ich auch in dieser Zeit von Seiten des Bonifatiuswerkes in Uppsala bleiben durfte!
Ein ganz besonderer Ort
Als Ricarda und ich vor einem Jahr beschlossen, dass ich als Praktikantin den Menschen beim Caritas Mötesplats unter die Arme greifen werde, wusste ich nicht, was dieser „Treffpunkt“ genau ist. Und auch heute fällt mir eine genaue Beschreibung schwer. Es ist nicht einfach nur ein Treffpunkt für Menschen, die neu in Schweden sind. Es ist ein Ort voller Zusammenhalt, Hilfe, Lachen, Weinen, Umarmungen, Anteilnahme, gemeinsamer Freude über Erfolge und Vernetzung untereinander. Wenn man diesen Ort betritt, verschwindet ganz schnell die Frage, was genau der Mötesplats und wer man selbst ist. Alle, die einen Schritt durch die Tür und hinunter zu uns in den Keller machen, werden sofort aufgenommen und können sich so einbringen, wie sie es selbst möchten. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich Zeit für die Geschichten der Menschen zu nehmen und wie viel Wahrheit in dem altgedienten Satz „Im Endeffekt sind wir alle gleich“ steckt.
Neben dem Vorbereiten des Frühstücks war die Aufgabe von uns Bonifatius-Praktikantinnen, ein offenes Ohr und ein waches Auge zu haben. Egal ob Unterstützung beim Schwedisch-Unterricht, dem Gang zur Apotheke oder einfach nur einer Tasse Tee und einem ruhigen Gespräch, irgendwie war immer etwas los. Auch Aktionen und Ausflüge durften wir frei nach unseren Ideen gestalten. Oh, wie ich dieses liebenswerte Chaos vermissen werde!
Als Corona uns einen Strich durch die Rechnung machte und der Mötesplats geschlossen wurde, entwickelte sich dann noch einmal eine ganz neue Mentalität des Mötesplats. Zusammen mit Marie und George, den Hauptverantwortlichen des Mötesplats, haben Catalina und ich eine wöchentliche Lebensmittelausgabe organisiert. In dieser Zeit ging es für uns immer jeweils dienstags zum Einkaufen, Taschen packen und Kuchen backen und mittwochs zum Ausgeben der Lebensmittel-Taschen. Das gab mir noch einmal die Chance, die Perspektive auf die Arbeit beim Mötesplats zu wechseln, mehr über die individuelle Arbeit mit den Menschen dort zu erfahren und das Team in einer anderen Art und Weise als zuvor zu unterstützen.
Tausche ostwestfälisches Gemüt gegen schwedische Positivität
Auch wenn Schweden und Deutschland geografisch nicht weit auseinander liegen, trotzdem
hat jedes Land seine Eigenheiten, die es einzigartig machen. Trifft man bei mir in meiner Heimat eher auf Komplimente wie „Da kann man nichts von sagen“, entgegnen einem die SchwedInnen bei der kleinsten Geste ein „Tack så hemsk mycket”, „tusen tack” oder ”Det är jättesnäll, tack!”. Es wurde für mich ganz normal, dass man für alles ein großes Dankeschön und ein liebes Kompliment bekommt und ich genoss es genau wie den Rest der schwedischen Sprache und der schwedischen Gewohnheiten, wie der traditionellen und nicht weg zu denkenden Fika.
Das kirchliche Leben in Schweden
Auch das kirchliche Leben war durchaus anders als das, was ich aus meiner deutschen Gemeinde gewohnt war. Die Kirche war zu Gottesdienstzeiten immer gut gefüllt (natürlich nur vor der Corona-Krise), jedoch kannten sich trotzdem alle, denn die Gemeinde war die einzige in Uppsala und Umgebung. Viele der GottesdienstbesucherInnen kamen mehrmals in der Woche. Auch hat die katholische Kirche in Schweden eine recht hohe Anzahl an KonvertitInnen, „nur“ einen Bischof (was bei einer offiziellen Mitgliederanzahl von gut einem Prozent der schwedischen Gesamtbevölkerung aber verständlich ist) und in der Gemeinde fanden definitiv mehr Gottesdienste statt, als in meiner Heimatgemeinde. Und das Bonifatiuswerk kennen durch die zahlreiche Unterstützung eigentlich alle KatholikInnen, die ich in meiner Zeit in Schweden getroffen habe. Dabei konnte man sich sicher sein, dass man, wenn wir erklärten, dass wir zum Bonifatiuswerk gehören, die Antwort „Ah, Bonifatiuswerk, wie schön!“ bekommen würde.
„Du gamla, du fria, du fjällhöga nord, du tysta, du glädjerika sköna!“
Die ersten Verse der schwedischen Nationalhymne beschreiben die schwedische Natur schon
sehr gut. Auf unseren Reisen durch Schweden, kam ich jedes Mal erneut ins Staunen, wie schön die Landschaft dort oben im Norden ist. Da kann ich es durchaus verstehen, dass die SchwedInnen der Natur den größten Teil ihrer Nationalhymne widmen. Egal ob Gotland, Rättvik, Högerkusten, Vadstena, Marieudd, die Skären, Stockholm oder Uppsala und seine Umgebung, schon jetzt steht für mich fest, ich muss unbedingt wiederkommen!
Und was war das Highlight?
Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung! Da fallen mir so viele Dinge ein, die gar nicht in diesen Bericht passen würden. Unser Lieblingsplatz in Uppsala, unsere Reisen, die Besuche von MitpraktikantInnen, unsere absolut geniale Weihnachts- und Silvesterfeier, die Begegnungen bei der Caritas, all die verrückten Ideen von unserer Uppsala-Stockholm-Gruppe, meine „WG“ mit Madeleine, unsere Zeit in Marieudd, Midsommar, fika in der blauen Apfelsine und und und. Ich glaube ich höre jetzt mal lieber auf.
Aldrig glömmer jag det!
Jetzt sitze ich hier in Deutschland und frage mich, wie schnell denn das alles vorbeigehen kann. Egal, was auch in Zukunft sein wird, ich werde niemals vergessen, was ich in Schweden alles erleben durfte! Und weil dies etwas ist, was ich mit nach Deutschland nehmen möchte, bleibt mir zum Schluss, gerichtet an alle, die mich durch dieses Jahr begleitet, es ermöglicht und mich unterstützt haben, nur eines: „Tack så hemsk mycket – tack för allt!”