Heute möchte ich ein bischen davon erzählen, wie mein Alltag hier im Norden aussieht.
Nach dem Aufstehen gehe ich aus dem Haus und ein paar Meter die Straße hoch, an der Kathedrale vorbei ins Haus des Bistums, in dem die Priester und der Bischof leben. Meistens treffe ich schon zum Frühstück einen der Séras (so werden die Priester hier genannt) oder Bischof David, der neben dem Frühstück gerne die Sudoku-Rätsel in der Morgenzeitung löst.
Hilfe trotz Corona
Nach dem Frühstück spaziere ich in die Innenstadt, wo das Haus der Mutter Teresa Schwestern liegt. Täglich kommen zwischen 20 und 40 Menschen zum Frühstück für Bedürftige. Meine Arbeit beginnt hier meistens damit, dass ich Käsescheiben von großen Käsestücken hoble, Tomaten schneide und den Frühstückstisch decke.
Seit es die Einschränkungen wegen des Corona-Virus gibt, können die Leute leider nicht mehr in den Frühstücksraum, sondern müssen draußen warten, bis wir ihnen Sandwiches machen und Kaffee bringen. Es ist besser als nichts, vor allem da die meisten anderen Hilfsorganisationen in der Stadt ihre Häuser geschlossen haben. Trotzdem fragen unsere Gäste jeden Tag, wann wir wieder "normal" öffnen können. Es ist nicht nur der Hunger, der sie zu uns führt, sondern auch die Sehnsucht nach Gesellschaft und Gesprächen.
Trotzdem gibt es auch bei der Sandwich-Ausgabe immer wieder schöne und auch mal überraschende Gespräche. So kam ein isländischer Mann, der sonst am Frühstückstisch immer sehr schweigsam war, neulich gar nicht mehr aus dem Erzählen heraus. Für ihn war es einfacher, etwas losgelöst von der großen Gruppe zu erzählen.
Mittagessen in großer Runde
Zum Mittagessen kommen alle Priester und ich um 12:30 Uhr zusammen. Unsere Köchin ist aus Südamerika, deshalb ist das Essen meistens eine spannende Mischung aus isländisch und lateinamerikanisch.
Am Wochenende steht oft Bischof David selbst in der Küche. Es lässt mich immer wieder schmunzeln, wenn er pfeifend den Kochlöffel schwingt und mir von Rezepten aus seiner Heimat erzählt. Außer mir kommt wohl kaum jemand so oft in den Genuss eines bischöflichen Menüs.
Ein Nachmittag voller Aufgaben
Nachmittags gibt es alles Mögliche im Haus zu tun. Mal kümmere ich mich um die Gästezimmer, mal helfe ich in der Kirche, ich zähle die Kollekte, fülle Weihwasser in Flaschen ab oder ich arbeite im Büro. Gerade habe ich die Aufgabe, alte Fotos im Zusammenhang mit der katholischen Kirche in Island einzuscannen. Das ist für mich sehr interessant, weil ich viel über die Geschichte der Kirche erfahre.
Gute Nachrichten für meine Freizeit
Jetzt ist es endlich soweit: Museen, Geschäfte und Restaurants dürfen wieder öffnen. Darüber freue ich mich sehr, weil das öffentliche Leben in Reykjavík in meiner bisherigen Zeit hier doch sehr eingeschränkt war. Außerdem hat letzte Woche offiziell der Sommer in Island begonnen, oder der "grüne Winter", wie der Hausmeister Nikolas hier bei uns sagen würde.
Aber egal, ob 28°C oder 6°C: ich wünsche einen gleðilegt sumar!