Weihnachten kam geflogen, Silvester kam geflogen (tolles Feuerwerk über dem Stockholmer Schloss und im Rest der Stadt Böllerverbot - das war großartig!) und schon war sie da - die Halbzeit. Was nicht da ist, zu diesem Zeitpunkt jedoch eigentlich zu erwarten ist, ist der skandinavische Winter.
Nicht so wirklich Winter
Das meiste Eis befindet sich nach wie vor auf der Eisbahn im Kungsträdgården. Schnee haben wir so viel wie in Deutschland und die Temperaturen verlangen nicht mal nach einer Strumpfhose unter der Jeans.
"The average temperature in Stockholm in January was 7°C warmer than normal. Parts of central Sweden had an average of over 10°C warmer than normal. Yet, this is barely even mentioned in the media...", twitterte Greta Thunberg vor ein paar Wochen und auch ich muss sagen: So real wie in diesem Auslandsjahr in Schweden habe ich den Klimawandel noch nie gespürt.
Winter, eine längst vergangene Erscheinung?
Zwar hat es jetzt in dieser Woche das erste Mal wieder ein wenig geschneit. Der Djurgårdsbrunnsviken bei Djurgården war nun schon mehrfach ansatzweise zugefroren und beim Praktikantinnen-Besuchswochenende in Vadstena konnten wir voller Freude dicke Eisschollen auf die dünne Eisschicht auf dem Vättern schmettern. Doch wenige Stunden oder spätestens einen Tag später, ist in der Regel alles so, als wäre die Jahreszeit Winter längst eine vergangene Erscheinung. Langsam haben wir es wohl auch aufgegeben, dass wir am Ende des Jahres stolz von neuen Winterüberlebenskünsten sprechen können.
Nachdem das Wetter am letzten Wochenende zum Kaffeetrinken draußen einlud, ist bei uns allen auch langsam bereits Frühlingsstimmung eingekehrt – der Mensch passt sich halt an.
Ereignisse im Januar
All das ändert nichts an weiterhin bester Schwedenstimmung. Nach einem nassen und verregneten November und Dezember belohnte der Jahresbeginn den Besuch der Baltikant*innen und mich mit den für Stockholm berühmten atemberaubenden Sonnenuntergängen über der Stadt.
Und so kam sie angeschlichen, die Halbzeit und mit ihr vier (schwedische) Feste, die das deutsche unerfahrene Auge erneut über die schwedische Kultur staunen ließ: Zunächst der 6. Januar, der in Schweden als großes Kinderweihnachtsfest gefeiert wird. Unvorbereitet erlebte ich so nach der Hochmesse am Sonntag im Kreis tanzende, laut schwedische Volkslieder singende Kinder und Eltern. Traditionell wird dabei um den (in Eugenias Kyrktorget [Kirchplatz] fehlenden) Weihnachtsbaum herumgetanzt, der dann mit großem Gejohle aus den Häusern hinausgeworfen wird.
In Eugenia fand außerdem abends der "Childrens Feat Day" statt, bei dem alle Katechesegruppen den Eltern bei Geschenken und Weihnachtssüßigkeiten etwas vorführen. Meine Firmklasse performte dabei unter vollem Einsatz ein Krippenspiel inklusive freudiger Engel, mehreren Orts- und Szenewechseln und einer täuschend echt schwangeren Maria. Die Vorbereitung mit den Kindern und ihre stolzen Gesichter auf der Bühne haben mir große Freude bereitet!
Ein Februar voller Traditionen
Zum 14. Februar war dann auch Stockholm voll mit Liebe und Herzen zum "Alla hjärtans dag" ["Alle Herzen Tag"], ein Name, den ich irgendwie schöner finde als unseren deutschen Valentinstag. Bei der Caritas haben wir zu diesem Anlass unter Planung zweier ukrainischer Teilnehmerinnen am "Mötesplats" ein kleines Fest der Liebe gefeiert, mit herzüberladenen Frühstücksleckereien, herzförmigen Plakaten mit Wünschen füreinander und großem Enthusiasmus von allen Beteiligten. So viele glückliche strahlende Gesichter!
Nicht weniger strahlend wurde dann der 25. Februar verbracht. Dieser ist als Veilchendienstag vor der startenden Fastenzeit, der sogenannte "Semmlordag" in Schweden, an dem traditionell schwedische Semmlor gegessen werden, das ist ein Hefegebäck gefüllt mit einer Marzipanmasse und Sahne. Beim Caritasfrühstück gab es so auch für uns etwas Neues zu probieren. Dabei muss ich zugeben, dass das deutsche Pendant der gefüllten Berliner mir persönlich besser schmeckt.
Außerdem war der 25. Februar auch Beginn einer weiteren Tradition der schwedischen Gesellschaft: der großen Bokrea! Dieser schwedenweite Buchausverkauf macht auch vor unserem katholischen Buchladen in Eugenia nicht Halt und so waren die letzten Wochen gefüllt mit der Vorbereitung von Werbeplakaten und Ausverkaufstischen zum Beginn dieses schwedischen Großevents. Dabei ist der Starttag klar und einheitlich für alle schwedischen Buchläden festgelegt. Jedoch gab es auf meine Frage, wann denn damit Ende sei, nur ein "Das geht solange, wie wir darauf Lust haben" zurück. Aha. Die schwedische Kultur hat manchmal spannende kleine Eigenheiten…
"Du hast Dreck auf der Stirn..."
Für mich war zudem der Aschermittwochsgottesdienst besonders schön. 'Full House' gab es in Eugenias Messen und eine unzählbare Menge an Aschekreuzen wurde auf katholischen Stirnen verteilt, wie auch auf meiner. Nach einem würdigen Gottesdienst traf ich mich dann noch mit einigen Freundinnen in einer Stockholmer Bar auf ein Bier (entlarvt – ich faste nicht auf Alkohol). Nach dem Aschermittwochsmotto "Kehr um und glaube an das Evangelium" trug ich dabei bewusst in missionarischer Absicht stolz mein Aschekreuz auf der Stirn und wurde von der Barkeeperin beim Bestellen auf den Dreck auf meiner Stirn hingewiesen. So viel zum Start der Fastenzeit im säkularen Schweden.
So befinde ich mich, nach der Halbzeit und ohne schwedischen Winter, langsam in freudiger Erwartung auf mein Lieblingsfest: Ostern. Ich bin sehr gespannt auf die vorösterlichen Vorbereitungen und Abläufe in meiner Praktikumsgemeinde im schönen Stockholm!