Der Isländischkurs in der örtlichen Bibliothek hat im September begonnen. Einmal die Woche treffe ich mich nun mit ungefähr 15 anderen Teilnehmer/-innen aus den verschiedensten Ländern und lerne, mit Hilfe der ehrenamtlichen Lehrer in jeder Stunde etwas mehr von der isländischen Sprache.
Ende September fand für mich auch das erste Treffen mit dem deutschen Stammtisch statt, zu dem ich jetzt alle zwei Wochen gehe. Für ein paar Stunden sitzen wir dann in der Blaá Kannan zusammen, erzählen von unserem Tag oder tauschen Tipps und Empfehlungen aus.
Über den deutschen Stammtisch habe ich auch zwei Mädchen kennengelernt, mit denen ich jetzt fast jedes Wochenende etwas unternehme. Zum kommenden Treffen in der ersten Dezemberwoche kommt sogar der deutsche Botschafter Islands nach Akureyri. Anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung über deutsche Frauen, die vor 70 Jahren nach Island kamen, will er mit unserer kleinen Gruppe etwas trinken.
Eindrücke von Hverir, dem Vití Krater und Àsbyrgi
See Mývatn Mývatn Nature Bath Grotagja-Höhle
Um den Norden Islands besser kennenzulernen, habe ich mich für eine Day-Tour angemeldet und konnte zusammen mit einer kleinen Gruppe den See Mývatn bestaunen, entlang der Pseudokrater wandern, über die Dimmuborgir Lava Formationen klettern, mich von der bizarren, außerirdisch-wirkenden Landschaft Hverirs verzaubern lassen und anschließend im Mývatn Nature Bath baden.
Ein weiteres Ziel unserer Tour war die Grotagja-Höhle und nachdem ich die mit heißem blauem Wasser gefüllte Grotte betreten und die geheimnisvollen Lavafiguren Dimmuborgir bewundert habe, weiß ich auch, warum die Isländer an Trolle und Elfen glauben.
Hverir - „Devil’s Kitchen“
Obwohl wir noch mehrere Kilometer von Hverir entfernt waren, konnten wir bereits die weißen Dampfsäulen hinter den orangenen Bergen in den blauen Himmel aufsteigen sehen. Schon von weitem war das Zischen und Brodeln zu hören und je näher ich dem Feld kam, desto besser verstand ich, warum Hverir auch „Devil’s Kitchen“ genannt wird.
Hverir ist ein Hochtemperaturgebiet, was heißt, dass die Grundwassertemperatur in ca. 1 km Tiefe höher als 150°C ist. An der Oberfläche kann man dann die Fumarole, heißen Quellen, Solfatare und Geysire bestaunen, die sozusagen als Ventile für das unter Druck stehende Wasser dienen.
In den sonderbaren Löchern blubbert, brodelt und brüht fröhlich, in grau-blaue Matsche aufgelöster, Stein und Gips. Das liegt daran, dass hier Schwefelgase entweichen und sich mit dem Wasser zu Säure verbinden, die die Umgebung langsam in eine schlammige Masse auflöst. Schwefelhaltiger Dampf schießt aus den Fumerolen, genauso heiß und laut wie der Wasserdampf aus dem Teekessel, und verbreitet im gesamten Gebiet den durchdringenden Geruch von faulen Eiern.
Lange hält man es nicht neben einem dieser Dampfstrahlen aus, was auch die ganz hart-gesottenen Abenteurer, ausgerüstet mit Selfie-Stick, Jack-Wolfskin Jacke und dicken Timberlands, ganz schnell merken. Die Schwefelablagerungen haben eine so intensiv neon-gelbe Farbe, dass es einem wirklich sehr schwer fällt zu glauben, dass das alles noch natürlich ist.
Vití-Krater und Ásbyrgi
Mit Schwester Marcelína machte ich einige Tage davor auch einen Ausflug zum Dettifoss, das ist der größte Wasserfall Islands und der energiereichste Wasserfall Europas, dem wunderschönen Mývatn-See, der Ásbyrgi-Schlucht und dem Vití-Krater.
Der Zentralvulkan des aktiven Vulkansystems Krafla liegt mitten im Mývatn. Zu ihm gehört auch der Vití-Krater, nicht weit entfernt von „des Teufels Küche“. Passenderweise bedeutet „Vití“ auch „Hölle“ im Isländischen. Neben dem Orange des Kraters, wirkt das intensive Türkis des Wassers noch extremer.
Ásbyrgi-Schlucht Wasserfall Dettifoss Vití-Krater
Die Ásbyrgi-Schlucht liegt im Jökulárgljúfur Nationalpark. Eine Legende der ersten Wikinger-siedler erzählt, dass der pferdehufförmige Umriss der Schlucht entstand, als Sleipnir, Odins fliegendes Pferd, mit seinem riesigen Huf auf der Erde aufkam. Doch der fremdwirkende Name Jökulárgljúfur gibt einen Hinweis auf die tatsächliche Entstehung von Ásbyrgi. Das bedeutet übersetzt nämlich: „Schlucht des Gletscherflusses“. Schließlich ist die Hufeisenform mit der kleinen Insel in der Mitte in Wahrheit wahrscheinlich durch einen Gletscherfluss entstanden, allerdings gefällt mir die Geschichte der alten Wikinger viel besser.
Neues aus der Kinderkrippe
In unseren kleinen Kindergarten ist Anfang Oktober ein kleines Mädchen dazugekommen. Wenn alle neun Kinder da sind, ist vor allem beim Essen volle Konzentration gefragt. Gleichzeitig drei Schälchen und Löffel fest-halten, aufpassen, dass die Kinder die Schüssel nicht umdrehen oder den Kartoffelbrei
einfach mal mit der Hand umrühren und dabei an sechs fuchtelnden Armen vorbei den vollen Löffeln in den richtigen Mund zu navigieren, macht jede Mahlzeit zu einem Abenteuer.
Was mich überrascht hat war, dass im Gegensatz zu Deutschland, auch nachdem es Tage durch-geschneit hat, der Schnee von den Isländern weitgehend ignoriert wird. Das heißt, dass kein Salz gestreut wird und der Schnee nur notdürftig von den vereisten Straßen geschoben wird. Die
Schwestern haben mir Eiskrallen für meine Stiefel gegeben, damit ich die bergigen Straßen erklimmen kann, ohne auszurutschen.
Die Babys schlafen sowohl im leichten Regen als auch im Schnee draußen. Wenn es schneit, sind die Kinderwägen von einer kleinen weißen Schneehaube bedeckt. Die Schwestern haben mir erzählt, dass vor ca. 15 Jahren die Kinder noch bei -13°C draußen spielten und schliefen. Gegen den Wind, so hatten sie damals gelernt, sollten Sandsäcke auf die Schlafsäcke gelegt werden. Heute sind die Vorschriften jedoch um einiges strenger und die Kindergärten lassen ihre Kinder nur noch bis -3°C an der frischen Luft schlafen und spielen.
Karmelfest
Am 30. Oktober feierten wir das Fest der Gründerin der Karmelitinnen des göttlichen Herzes Jesus. Ich habe Schwester Selestina und Schwester Marcelína gefragt, ob sie mir etwas über das Leben der Mutter Maria Theresa vom heiligen Joseph erzählen können, wozu sie nur allzu gern bereit waren!
Der 30. Oktober ist nicht etwa ihr Todestag, wie zuerst vermutet, sondern der Tag, an dem Anna Maria Tauscher in die katholische Kirche auf-genommen wurde. Anna Maria Tauscher van der Bosch wurde am 19. Juni 1855 in Sandow, nicht weit von Frankfurt an der Oder, in eine evangelische Familie geboren. Ihr Vater war Pfarrer und ihre Mutter als „Mutter der Armen, Trösterin der Betrübten und Pflegerin der Kranken“ bekannt. Schon von klein an unterstützte Anna Maria ihre Mutter bei der Pflege und den Besuchen von Bedürftigen. Je älter sie wurde, desto deutlicher merkte sie, dass ihr etwas Entscheidendes im Glauben und der Religion ihrer Familie zu fehlen schien. Langsam näherte sie sich dem katholischen Glauben an, las die katholische Katechese und vor allem die Gebete des heiligen Josephs nahmen eine große Rolle in ihrem Leben ein. Für einige Zeit arbeitete sie in einer katholischen Psychiatrie mit evangelischem Direktor. Nachdem sie sich vermehrt mit dem katholischen Glauben auseinandersetze, fühlte sie sich unfähig, ihr Versprechen gegenüber ihrem Vater und ihrem Arbeitsgeber, nicht zum Katholizismus zu konvertieren, einzuhalten. So trat Anna Maria am 30. Oktober 1888 heimlich der katholischen Kirche bei. Daraufhin stellten sich sowohl ihr Vater, als auch der Direktor der Psychiatrie gegen sie. Nun obdach- und arbeitslos, wurde sie in ein, mit einem Altenheim verbundenes, Kloster als Arbeitskraft aufgenommen. Dort kam ihr auch zum ersten Mal der Gedanke, einen eigenen Orden zu stiften und kurz darauf auch die Vision: eine Schwester in braunem Habit und einer weißen, mit braunem Schleier bedeckten, Haube, genauso, wie die Karmelschwestern sie heute tragen. Mit den Verdiensten ihrer Arbeit eröffnete sie im Juli 1891 ein Heim für arme und heimatlose Kinder und zusammen mit den gleichgesinnten Helferinnen gründete sie die Ordensgemeinschaft „Karmelitinnen vom Göttlichen Herzen Jesu“. Bei der Aufnahme in den Orden nahm Maria Teresa den Ordensnamen Maria-Theresia vom heiligen Josef an. Heute ist der Karmelorden auf der ganzen Welt vertreten, bietet Alten und Jungen ein Zuhause und gibt auch Religionsunterricht. Auch wenn ein Teil der Arbeit der Schwestern in einem Altenheim, Krankenhaus oder Kindergarten stattfindet, war das Ziel immer, aus der Institution ein Zuhause zu machen.
Schwester Selestina meinte dazu: „Unsere Ordensmutter wollte, dass ihre Schwestern nicht nur Doktor, Krankenschwester oder Lehrer sind, sondern Mütter! Die Ordnung zu wahren, war natürlich immer noch sehr wichtig, aber an erster Stelle sollte immer der Familiengeist und die
Nächstenliebe stehen.“
Und genauso fühlt es sich auch an, bei den Schwestern zu wohnen
- wie ein wirkliches Zuhause!