Zunächst einige Abschlüsse zu meinem letzten Text:
Unser Aufenthalt in Hockstolm war ein voller Erfolg. Wir wohnten bei einer über zehn Ecken befreundeten Bekannten von den Eltern meines Freundes mitten im Zentrum, quasi in einem Schloss, für umme.
Wir genossen die zehn Grad Temperatur-unterschied zu Deutschland, Sushi, eine gratis Fanta und das Venedig des Nordens (ja, ist geklaut). Außerdem fanden wir den Ort, an dem Greta Thunberg ihr Streiken begann, natürlich ohne Greta, die sich ja noch bei Arnold Schwarzenegger rumtreibt. So schnell wie diese wunderbare Woche kam, war sie leider auch wieder vorbei. Die Brezeln mit Obazda durfte ich auch umsetzen. Es gab viele ahhs und ohhhs und ich kann euch sagen, den Schweden schmeckt Laugengebäck genauso gut wie mir.
Winterromantik
Die Zeit vergeht so schnell wie das Tageslicht. Seit Anfang November geht die Sonne um 15:30 Uhr, mittlerweile noch eher, unter. Das ist sehr gewöhnungsbedürftig. Nachdem ich mich ein wenig beschwert habe, wurde mir erläutert, dass dies kein Problem wäre, wenn Schnee läge, da der so viel Licht reflektiert und somit auch die Nacht zum Tag macht. Papperlapapp, dachte ich, und wurde sogleich von den ersten zwanzig Zentimetern Schnee eines besseren belehrt. Die vier Tage Winterromantik stellen mein großes Highlight dar.
Weil ich mich vorher nicht aufraffen konnte, wollte ich mich nach dem Abendbrot auf den Weg in den verschneiten Wald begeben. Ungelogen, es sieht aus wie im russischen Märchen. Dieser Vergleich kam mir schon zu meiner Ankunft. Denn als ich das erste Mal den Wald betrat, war alles voller riesiger Pilze. Lediglich das Pilzmännchen hat gefehlt. Bevor ich in den Schnee stapfte, fragte ich meine schwedischen Kommunitätsbrüder und - Schwestern, ob ich etwas zu beachten habe (Hexe Babajaga, Väterchen Frost, man weiß ja nie...) worauf zwei panisch
äußerten, dass es wilde Tiere gäbe. Das beunruhigte mich nun doch, weshalb ich nachhakte, um welche Tierarten es sich denn genau handle: Füchse, und einer habe ein junges Reh gesehen! Nun gut, dachte ich, damit komme ich klar.
Große Fußspuren
Im Wald folgte ich einem weißbepuderten Pfad, den kaum Menschen betreten hatten. Manchmal übermannte mich auch die Schwerkraft, da aufgrund mangelnder Haftreibung, meine Füße den Bodenhalt verloren. Da ich keine Lust hatte, meine Route an der unromantischen Straße zu beenden, bog ich, großen Fußspuren folgend, kurzerhand in den Wald ein. Ich hätte ewig so weiter wandern können, doch ich kam plötzlich auf einer (Achtung Kitschalarm) durch den Vollmond vollständig erleuchteten Lichtung heraus. Zu meiner rechten lag ein zugefrorener See, vor mir bogen die großen Fußstapfen in das Dickicht ein. Nanu, dachte ich, komisches Verhalten, und untersuchte sie ein wenig genauer.
Jawohl, ich bin aus Versehen einem Elch gefolgt.
Feuer!
Das war allerdings nicht mein einziges prägendes Erlebnis.
In der ersten Woche nach meiner kurzen Auszeit in Stockholm, gab es bei uns einen Feuerlöschlehrgang. Dabei mussten wir alle ein Feuer löschen und eine Person retten. Das ganze war wirklich unterhaltsam, wenn man einfach darauf hofft, dass man sowas nie im echten Leben machen muss. Der zum Fika gereichte Kardamomkuchen gab dem ganzen eine tolle Abrundung.
Ganz ungewohnt: LÄRM
Zwei Wochen später waren hier im Stiftelsen Berget fünfzig Jugendliche in Vorbereitung auf ihre Firmung zu besuch. Da durfte ich das erste Mal das erfahren, womit das Bonifatiuswerk so gern wirbt: lerne die junge und bunte Kirche Skandinaviens kennen. Ich bestätige, es gab keine "reinen" katholischen Schweden. Die Jugendlichen hatten Wurzeln in allen Teilen der
Welt. Polen, Italien und Südamerika waren die Hauptvertreter.
Ich war richtig glücklich, mal wieder ein bisschen Lärm zu erfahren. Das wurde mir jedoch an meinem freien Tag zum Verhängnis. Ich schlief in einem Gang mit den Zimmern der
männlichen Teilnehmer. Das Gemäuer ist sehr hellhörig, ich konnte also bereits alles hören, als sie an der hintersten Tür mit dem Wecken begannen. Nein. Das war nicht, wie ich es von Jugendfahrten gewohnt bin, mit einem Weckradio, Saxophon, oder Ähnlichem. Es wurde gehämmert. An jede Tür. Dass es sich anhörte, als würde diese aus den Angeln kippen. Und dann wurde aggressiv die Türklinke penetriert. Und dieses Vorgehen fand an allen Türen statt. Auch (zu Unrecht) an meiner. Wiederholt. In diesen Tagen lernte ich das schwedische Wort "förlåt", dass jedes Mal, wenn sich erneut ein schwedischer Jugendlicher in mein Zimmer verirrt hatte, liebevoll im Wegrennen gebrüllt wurde.
Deutsch in Schweden
Manche Schweden tauen eben erst im kalten Winter auf. Das ist auch eine Erfahrung, die
ich jetzt machen durfte.
Es hat eineinhalb Monate gedauert, bis ich endlich eine anständige Basis zu meinem gleichaltrigen Mitpraktikanten aufbauen konnte. Er war die ganze Zeit nett, aber mehr als distanziert. Mittlerweile bekomme ich
jeden Tag mindestens ein nettes Kompliment oder eine interessierte Nachfrage. Was will man mehr?
Mit dem schwedisch Lernen komme ich auch gut voran. Meine Stärken liegen im Erklären von Dingen, die ich nicht kann: schwedisch reden :D Gestern kam ein österreichischer Jesuit und eine deutsche Schwester vom weiblichen Äquivalent, und da beide kein schwedisch sprechen, wurde ich als Vermittler genutzt. Wir kamen ins Gespräch und so erfuhr ich, dass die Schwester "Schwester Hannah aus Riga" kennt (an dieser Stelle einen lieben Gruß an meine zukünftigen Mitpraktikanten) und ganz lange in Dresden gewohnt hat. Nach dem Gespräch kamen viele meiner schwedischen Bekannten zu mir, freuten sich, dass ich jemand Deutschsprachiges gefunden hatte, und sagten mir, dass man mir ansah, dass ich in den Gesprächen richtig aufgegangen sei. Das überraschte mich ein wenig, aber ich muss zugeben,
dass es wirklich mal ein tolles Gefühl ist, die Einzige zu sein, die alles versteht.
Übernächste Woche haben wir hier einen Weihnachtsmarkt mit weissrussischen Schwestern und deren Allerlei. Und einem besonderen Porridge und Bratäpfeln. Ich glaube, das
wird mein nächstes Highlight :)
Wünscht mir ein bisschen Schnee, Grüße an all meine Fans in Dresden und natürlich den
Rest, der übrig bleibt :)