Neue Erfahrungen sammeln, etwas Neues von der Welt sehen, neue Leute kennenlernen, eine neue Sprache lernen, Kirche einmal anders erleben – all das hatte mich motiviert, im August letzten Jahres nach meinem Abitur für 10 Monate nach Schweden zu gehen.
Vadstena: ein besonderer Ort
Ich begann meinen Aufenthalt im Gästehaus des Birgittenklosters in Vadstena, einem wunderschönen Ort am Vätternsee. Dort sind die Praktikanten bei ganz alltäglichen Aufgaben eingesetzt: Frühstück vorbereiten, Zimmer und Bäder putzen, Brot backen, Kuchen für den Kirchenkaffee backen, … Einfach bei allem, was in einem so großen Haushalt anfällt. Auch wenn dies zunächst wenig spektakulär klingt, hatte ich doch zu jeder Zeit Spaß an der Arbeit – die wunderbaren Menschen dort und die gemütliche, ruhige Atmosphäre machen das Gästehaus zu etwas ganz besonderem. Die Dankbarkeit für alles, was die Volontäre dort leisten, ist unglaublich groß und so verrichtet man die Arbeit sehr gerne in dem Wissen, die Schwestern dort wirklich unterstützen zu können.
Darüber hinaus steht das Gästehaus allen offen: In meiner Zeit habe ich viele verschiedene Gäste und vor allem Volontäre aus den unterschiedlichsten Ländern und mit vielfältigen Beweggründen kennen lernen dürfen, die das Leben dort so abwechslungsreich machen. So eine herzliche, offene Gemeinschaft, in der jeder gibt, was er kann und hilft, wo er kann, habe ich bisher kaum erlebt!
Abgesehen davon liegt Vadstena direkt am See, sodass wir unsere freien Nachmittage zu ausgedehnten Spaziergängen, Pausen am und im See oder auch zum Bewundern der unzähligen wunderschönen Sonnenuntergänge nutzten.
Obwohl Vadstena drei Autostunden von den Hauptaktivitäten der katholischen Kirche in Stockholm entfernt ist, führt der Weg eines jedes Katholiken in Schweden früher oder später einmal nach Vadstena. In Uppsala fiel mir auf, dass ich viele der Gemeindemitglieder und der Newmanstudenten schon einmal in Vadstena getroffen hatte – sicherlich auch der (überschaubaren) Größe der katholischen Kirche in Schweden geschuldet.
Erikshjälpen: eine bunte Mischung
Nach Weihnachten wechselte ich an das Newman-Institut in Uppsala, die einzige katholische Hochschule Skandinaviens. Dort ist die Arbeit im Secondhandshop Erikshjälpen für die Praktikanten an mehreren Tagen pro Woche obligatorisch.
In Schweden ist die Secondhand-Kultur viel weiter verbreitet als in Deutschland, der Erikshjälpen ist die größte Kette mit über 60 Standorten in ganz Schweden. Die Leute spenden dem Erikshjälpen ihre überflüssigen Gegenstände und kommen oft eine kurze Zeit später mit einem vollen Einkaufskorb wieder zur Kasse. Nur selten geht ein Kunde hinaus, ohne irgendetwas (mehr oder weniger nützliches) gekauft zu haben… Abgesehen von der Miete und wenigen Nebenkosten fördert der gesamte Erlös die Ausbildung und Gesundheit von Kindern in Afrika, denn die Arbeit wird fast ausschließlich von Freiwilligen übernommen.
Im Erikshjälpen stand ich meistens hinter der Kasse oder habe mich um die Spielzeug-Abteilung oder die Kleidung gekümmert. Dabei hatte ich Kontakt mit sehr interessanten Volontären – von Studenten und Pensionären, die einfach nur etwas Gutes tun möchten, bis hin zu Arbeitslosen und Menschen mit Behinderung. Jeder macht das, was er kann. Die Kunden sind ein genauso bunt gemischtes Völkchen.
Eine Tasse Tee und ein Lächeln
In Uppsala darf sich jeder neben der Arbeit im Secondhandshop Erikshjälpen eine zweite Stelle aussuchen: Ich habe mich für den Mötesplats (Treffpunkt) der Caritas für Flüchtlinge und Asylsuchende in Stockholm entschieden.
Die Arbeit in Stockholm bei der Caritas ähnelte der in Vadstena. Es galt zwar keine Zimmer zu putzen, dafür aber das Frühstück einzukaufen und vorzubereiten sowie zum Ende hin auch vereinzelt den Neuanfängern grundlegende schwedische Vokabeln und Grammatik beizubringen. Gerade dabei hatte ich sehr viel Spaß, denn ich konnte meine Sprachkenntnisse aus der Schule in Französisch und Spanisch anwenden. Hierbei waren die Besucher immer sehr hilfsbereit, sodass unsere teils mehr als lückenhaften Sprachkenntnisse doch irgendwie zum Verständigen gereicht haben. Manchmal reichen eben auch eine Tasse Tee und ein Lächeln, um die Probleme eines anderen kurz vergessen zu lassen.
Außerdem war ich für die Kleiderkammer zuständig, ein Tätigkeitsbereich, an dem man die Menschen ebenfalls zum Lächeln bringen konnte. Ein war schön zu beobachten, wie sich die Menschen an einem Kleidungsstück oder auch nur selbstgebackenen Zimtschnecken erfreuen können.
Durch die Hilfe beim Mötesplats habe ich Freunde aus allen Teilen der Welt gewonnen und sehr viel über das Leben (als Christ) dort lernen, sowie gelebten Glauben erfahren können. Hier wurde mir auch in Erinnerung gerufen, wie hoch unser Lebensstandard und vor allem, wie unglaublich wertvoll die Religionsfreiheit ist!
Unterschiede im Gemeinde- und Glaubensleben
Generell habe ich Kirche anders wahrnehmen können als in Deutschland. In meiner Umgebung Zuhause ist es eher die Ausnahme, ein gläubiger Katholik zu sein, noch dazu als junger Mensch. In Schweden hingegen ist der Anteil der Katholiken noch viel geringer, dennoch ist die Kirche sonntags bis auf den letzten Platz gefüllt. Keineswegs nur ältere Menschen, auch viele junge Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern finden regelmäßig den Weg in die Kirche. Daher ist es auch völlig normal, dass sonntags die Messe auf Schwedisch, Spanisch, Englisch und Kroatisch gefeiert wird, zu unterschiedlichen Zeiten versteht sich. Und es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen aus Göteborg anreisen (etwa 4 Autostunden entfernt), um eine afrikanische Messe mitfeiern zu dürfen…
Interessant war es auch, sich mit den anderen Mitpraktikanten in Uppsala und Vadstena auszutauschen, denn bereits innerhalb Deutschlands haben wir viele Unterschiede im Gemeinde- und Glaubensleben feststellen können.
Neue Orte und neue Freunde
Trotz der Arbeit ist aber das Kennenlernen von Land und Leuten nicht zu kurz gekommen, da wir Ausflüge z.B. nach Göteborg und Malmö gemacht, sowie auch die anderen Praktikanten in Norwegen und Riga besucht haben. Vor allem während des doch recht dunklen Winters waren zudem die Sportangebote in Uppsala für den Zeitvertreib sehr nützlich.
Abschließend kann ich mich nur bei allen bedanken, die mir diese Chance ermöglicht haben. Es war eine unfassbar schöne Zeit und ich habe so viele wunderbare Menschen und Orte kennengelernt, die ich nicht mehr missen möchte, weil sie mein Leben so bereichert haben. Und ich bin mir sicher, dass ich noch oft in mein zweites Zuhause Schweden zurückkehren werde!