Es ist ein komisches Gefühl…
zu wissen, dass ich schon so lange hier bin und nicht mehr so lange bleiben werde. Wie schnell die Zeit vergeht, wird einem leider erst nach den Ereignissen bewusst, was vielleicht zu einem weniger bewussten Erleben führt. Es ist irgendwie eine Erkenntnis, die aufgrund fehlender Umsetzung eigentlich keine richtige Erkenntnis zu sein scheint.
Zugegeben, es ist mir eigentlich erst Neujahr bewusst geworden. Eigentlich gebe ich nicht viel auf dieses Fest, da mir der Sinn dieses „Festes“ mit seinen Bräuchen nicht ganz zugänglich ist. Dieses Mal hatte es aber durchaus seinen Zweck, da es mir die Tatsache in Erinnerung rief, wie schnell doch die Zeit verflog. Allein das Wechseln von 2016 zu 2017, ein Vorgang, der mich normalerweise relativ kalt lässt, hat mich sehr nachdenklich und ja, ich gebe es zu, sogar traurig gemacht. Nicht, dass ich die Rückkehr in die geliebte Heimat nicht erstrebenswert finde. Es ist mehr eine noch stärkere Besinnung auf die vielen, kleinen Erlebnisse, die diese Zeit wohl unvergesslich machen werden. Ich glaube, dass die kleinen Dinge des Lebens, dass Leben so schön machen. Auf die großen Events zu warten, halte ich für verschwendete Zeit. Außerdem wird jeder kleine schöne Moment, umso größer, wenn man es schafft, ihn in wertvoller Erinnerung zu behalten als das, was er war. Gibt es dann eigentlich große und kleine schöne Momente und Erlebnisse…?
Neues Jahr, neue Aufgabe
Nun, wie dem auch sei...das neue Jahr hat sehr gut begonnen und ich blicke auf eine schöne Zeit zurück und freue mich auf das Kommende. Die wenigen Tage des neuen Jahres haben schon viel Schönes und Neues gebracht. Ein kleines Beispiel: Ich darf nun zwei Mal die Woche im diözesanen Pastoralzentrum in Stockholm arbeiten. Hört sich erstmals unspektakuklär an, ist aber sehr interessant. Für einen eigentlich unbekannten Praktikanten wurde ich sehr sehr herzlich begrüßt und aufgenommen. Jetzt habe ich auf endlich (auch gezwungenermaßen) die Gelegenheit mein Schwedisch auf ein halbwegs akzeptables Niveau zu bringen, da man keine Sprache lernen kann, ohne sie auch zu praktizieren.
Was meine Aufgaben dort sind? Das ist sehr variabel und kommt darauf an, wie und wo jemand gerade Hilfe braucht. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen, da ich gerade erst angefangen habe dort zu arbeiten. Es wird auf jeden Fall spannend!
Begegnungen mit den Schweden
Schon das letzte Mal hatte ich darüber berichtet, wie ich Schweden als Land empfinde. Um den Menschen einen Eindruck zu geben, wie hier gelebt wird und was hier Leben heißt. Denn sind die Bewohner eines Landes nicht der wesentlichste Teil diese Ortes? Ein Mensch lebt (meistens) mit den Menschen und sein Leben spielt in der sozialen Verbindung mit Menschen. Selbst in der erlebten Natur ist es wesentlich, wer mich begleitet und wie wir dieses Erlebnis „leben“. Es ist also der Mensch, der „Schwede“, der meinen Eindruck von Schweden wesentlich beeinflusst. Denn er ist mir und ich bin ihm „ausgeliefert“.
Ich hatte bereits erwähnt, dass ich Menschen gerne beobachte und versuche herauszufinden, was für Menschen an einem Ort leben und was sie zu dieser Lebensart gebracht hat. Mein letzter Bericht zeigte ein sehr isoliertes, introvertiertes und ganz und gar der Moderne ausgeliefertes Bild des „schwedischen Menschen“. Diese Beobachtungen sind ganz und gar wahr, doch ist es nicht alles.
Nach der nun vergangenen Zeit kann ich rückblickend sagen, dass „der Schwede“ ein sehr widersprüchlicher Mensch ist. Auf der einen Seite ist er ganz auf sich und seine Welt bezogen. Musik, Handy und Dauerstress schirmen den Menschen hier komplett von seiner Außenwelt ab. Manchmal scheint es ihn gar zu interessieren, was die Welt, die Menschen um ihn herum treiben. Dieser Habitus ist etwas Anerzogenes und beginnt schon im Kindesalter. Doch da ist auch die andere Seite: Wenn der Mensch sich hier öffnet, entdeckt man plötzlich einen freudigen, lebendigen, halbwegs lustigen (als Deutscher sollte man in dieser Hinsicht keine großen Töne spucken…) und auch sehr nachdenklichen Menschen. Es sind Menschen, die gesellig sind und viel, viel reden. Wie alle Menschen reden sie am Liebsten über Belanglosigkeiten des Lebens. Die Menschen leben hier zwischen den Extremen der Isolation und der Geselligkeit. Eine Paradoxie von Vielen.
Am Ende denke ich, dass der Mensch in Schweden ein Wesen der Paradoxie ist, wie alle Menschen zu sein scheinen und wie der Mensch an sich voller Widersprüche und Gegensätzen ist, die rational nicht zu einander passen. Es gibt vielleicht gar keinen „typischen Schweden“. Vielleicht gibt es nur typische Menschen in Schweden (die dem Zeitgeist in besonderer Weise frönen)!
Was man nicht so alles lernen kann, wenn man den Mut aufbringt und seine Haustür verlässt. Ich zitiere hier gerne Bilbo aus Herr der Ringe: ”Es ist eine gefährliche Sache seine Haustür zu verlassen, Frodo. Wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, weißt du nicht, wohin sie dich tragen.“
Wie aufregend und mitreißend wahr diese Aussage ist. Am Ende... führen mich meine Füße vielleicht noch ein bisschen näher zu mir selbst. Und wenn ich genau aufpasse und bereit bin hinzuhören, treffe ich dort vielleicht sogar Gott. Zuerst im Gegenüber und dann, irgendwann, vielleicht auch in mir selbst.
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