Marcel Fischer resümiert seine ersten zwei Monate in Uppsala
Ich gebe zu, schon immer eine Freude daran gehabt zu haben, Menschen zu beobachten. Sich einfach auf eine Bank zu setzen und die Menschen zu beobachten, wie sie vorbeigehen... das hat beinahe
etwas Meditatives. Um diese Jahreszeit ist es hier schon früh dunkel und allgemein recht kalt, doch kann ich mich dennoch manchmal noch auf meine Lieblingsbank im Park setzen und den Menschen
beobachten, wie er so sein Leben lebt.
Was soll ich sagen nach zwei Monaten? Noch einen Monat, dann ist schon ein Viertel meiner Zeit vorüber? Daran denke ich lieber nicht, auch wenn wir schon den ersten Abschied
hinter uns haben, nachdem wir uns nach 1 ½ gemeinsamen Monaten von Ricarda verabschiedet haben. Ich hoffe natürlich, dass sie uns wenigstens mal besucht....
Aber was kann ich sagen, außer dass es kalt ist? Es ist eine besondere Art von Kälte, die bis ins Mark dringt, sollte man nicht passend gekleidet sein! Das ist auch in der fernen
Heimat anzutreffen, aber mit Sicherheit nicht bei +7°C!
Ich hatte in meinem ersten Beitrag schon angemerkt, dass es hier etwas anders ist. Und ich glaube nun zu wissen, was es ist. Ich spreche hier nicht von Gewohnheiten oder Spezialitäten, die man
nicht weiterempfehlen kann (auch wenn es diese durchaus gibt!!). Nein, ich spreche von den Menschen.
Es ist bekannt, dass sogenannte „moderne“ Gesellschaften, was auch immer das im Konkreten bitte sein soll, einen Hang zur Einsamkeit haben. Obwohl man innerhalb von Minuten oder gar Sekunden mit jedem Menschen überall auf der Welt sprechen könnte, ist der moderne Mensch in erster Linie einsam. Hier ist es noch schlimmer, als ich es aus Deutschland kenne. Die Menschen sind nicht nur Fremde dem Wissen nach, nein, sie lassen es sich auch spüren. Es ist eine Art Kühle zwischen den Menschen auf der Straße. Es ist als würde man nicht wissen, ob diese Menschen real wären und lieber schnell weitergehen wollen. Diese Distanz, dieses Ignorieren des Anderen verschließt den Menschen für den Rest. Vielleicht eine Art Schutz, vielleicht einfach nur Tradition.
Für mich ist es etwas Unangenehmes, ja vielleicht sogar etwas Anstrengendes. Ich würde mich nicht als sozial extrovertiert bezeichnen, aber doch schon etwas freundlicher im Charisma. Ich hoffe es mindestens....
Kontakte zu finden ist hier nicht das Problem. Will man aber Freunde finden, und ich habe hohe Ansprüche an einen Freund, ist es äußerst schwierig. Es scheint ewig zu dauern bis man den Mantel aus normaler, wenn auch sehr warmherziger Freundlichkeit und Distanz zu durchbrechen vermag und den eigentlichen Menschen kennenlernt und sich vielleicht mit ihm anfreundet. Mir ist es gelungen, ich habe Freunde hier oben gefunden. Und ich sage euch, es lohnt sich. Denn Loyalität scheint hier etwas sehr Wertvolles zu sein. Die Menschen hier in Schweden sind also nicht ausschließlich einsam wandernde Bären, sondern auch Menschen, die sehr anspruchsvoll sind im Suchen und Finden ihrer dauerhaften und festen Kontakte. In der Tat ist das etwas, womit ich mich sehr gut identifizieren kann.
Übrigens, Schweden im Herbst ist ein Traum. Es ist irgendwie eine Art Reality-Märchen, wenn man sich die Mühe macht aus der Stadt herauszufahren und von jetzt auf gleich mitten in der Pampa steht. Beim ersten Mal ist das eine äußerst interessante Erfahrung, sage ich euch! Man fährt durch eine Wohnsiedlung, die auch so mitten im Ruhrpott zu finden sein könnte und plötzlich steht man im Nirgendwo und das nächste Haus steht erst 400m weiter am Ende des Feldes. Achso ja, der Herbst... er ist einfach viel lebhafter und viel bunter als in Deutschland. Vielleicht habe ich zu Hause einfach nicht darauf geachtet oder es ist hier einfach viel offensichtlicher, gerade aufgrund des erhöhten Naturvorkommens. Ich weiß es nicht.
Während ich dies schreibe, sitze ich im Zug nach Stockholm, einer der schönsten Städte, die ich bis jetzt sah. Vielleicht noch schöner als Wien, aber die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Was ich in Stockholm mache? Hm... ich fahre zur Geistlichen Begleitung (so eine Art Paartherapeut: Er hilft mir und Jesus, wenn ich es mal wieder nicht auf die Reihe bekomme unsere Beziehung reifen und wachsen zu lassen ;) ). Schließlich bin ich ja immer noch Seminarist und das gehört einfach sinnvollerweise dazu.
Nachher noch eine Vorlesung über den Klimawandel! Interessant ist das ja schon. Angst bekommt man da aber auch. Aber da denke ich immer an Psalm 23: Muss ich auch wandern in finsterem Tale, ich fürchte kein Unheil: Denn du bist bei mir.
Also mit viel Freude und guten Mutes verabschiede ich mich wieder von euch! Es wartet sehr sehr viel studentische Arbeit auf mich und die muss ja irgendeiner machen. Aber der Herr gibt es den Seinen im Schlaf (Ps 127)... nur fehlt mir irgendwie der Mut, dies auszuprobieren.
Bis Bald, Marcel Fischer
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