Katja Grohmann blickt auf ihre Zeit in Oslo zurück
In Norwegen wird die Bedeutung von katholisch wirklich spürbar. So ist die Bedeutung „allumfassend“ nirgends deutlicher erlebbar als in dieser kleinen Kirche in Oslo. Das ist zumindest mein
Eindruck, wenn ich an die Zeit in der Diaspora in Norwegen denke und es ist kein schlechter Eindruck. Im Gegenteil, ich bin sogar beeindruckt, denn die Kirche im Norden ist lebendig und sehr
aktiv.
Als ich die Zusage zum Praktikum in Norwegen bekam, habe ich mich sehr gefreut und war zugleich sehr aufgeregt. Ich muss gestehen, dass ich absolut nicht der Typ bin, der gerne in einer Großstadt
lebt. Da klingt es natürlich nach einer großen Herausforderung nach Oslo, der Hauptstadt Norwegens, zu gehen. Oslo fühlt
sich aber ganz und gar nicht an wie eine Hauptstadt. Es ist grün und von der Praktikantenstelle ist man in zehn Minuten am Oslofjord. Für Jemand aus dem Süden Deutschlands ist das Meer einfach
etwas Besonderes und von dieser Art von Natur hat Oslo ganz viel zu bieten. Ob es Seen und Fjorde oder die vielen Berge sind, hier kommt wirklich jeder auf seine Kosten und kann neben der Arbeit
auch noch ein besonderes Stück Natur genießen.
Es standen auch ein Ausflug nach Bergen auf der Liste und ein weiterer nach Jessheim zum Kirchneubau. Zudem konnte ich mit den jungen Leitern von NUK (Norges Unge Katholiker) nach Mariaholm fahren, was wirklich idyllisch im Landesinneren liegt.
Der Konvent Katarinahjemmet liegt im Stadtteil Majorstuen und beheimatet neben den Dominikanerinnen auch ein Studentinnen-Wohnheim und ein Gästehaus. Es ist also immer etwas los in diesem Haus. Als Praktikantin wurde ich in die Küche geschickt, um dort mit der Köchin Silvia das Essen für alle Bewohner des Hauses zu kochen. Über diese Aufgabe habe ich mich sehr gefreut, denn ich konnte sowohl meine Kenntnisse im Kochen und Backen einbringen, als auch viel von Silvia lernen. Besonders deutsche Spezialitäten, wie zum Beispiel ein Apfelstrudel, konnten den Studentinnen und den Schwestern den Tag versüßen. Dass das Essen einen ganz wichtigen Stellenwert hat, bestätigte mir der Bischof von Oslo, als er eines Abends selbst zum Essen im Konvent war und sich bei mir und allen anderen Freiwilligen im Konvent für unsere Arbeit bedankte. Es war eine sehr bereichernde Zeit in der Küche, da mir alle Möglichkeiten offen standen. Und ich konnte erkennen, dass das Zitat von Theresa von Avila „Gott ist auch zwischen den Kochtöpfen zu finden!“, hier mehr als zutreffend ist.
Durch meine Arbeit in der Küche hatte ich immer den Kontakt zu den Schwestern und konnte so auch hin und wieder das Gespräch mit ihnen suchen. Aber auch mit den anderen Mitarbeitern im Haus verlief die Kommunikation reibungslos. Obwohl ich vor meinem Aufenthalt kein Norwegisch sprach, konnte ich, auch dank eines Sprachkurses, in kurzer Zeit die Grundkenntnisse der Sprach erlernen und mich so auch verständigen. Grundsätzlich kommt man mit Englisch in Norwegen weiter, nur sprachen die beiden Frauen im housekeeping kein Englisch, so haben wir alle gelernt, dass wir mit Händen und Füßen und einem netten Lächeln oftmals genau beschreiben konnten, was wir wollen. Und so manches Mal mussten wir feststellen, dass die Worte in der eigenen Sprache doch viel ähnlicher klangen, als wenn man sie erst ins Englische übersetzen würde.
Aber nicht nur die Arbeit im Konvent war Teil meiner Beschäftigung, auch in der Gemeinde konnte ich mitarbeiten. Zunächst lief hier alles ein wenig langsamer an, da die meisten Familien noch in den Sommerferien waren, ab Ende August stellte sich aber eine Regelmäßigkeit ein. So konnte ich mittwochnachmittags im „Jahuset“ bei der Kinderbetreuung helfen. Über 30 Kinder fanden jede Woche den Weg zu uns. Zunächst ging es darum zu überlegen, was man kochen und was es als Nachtisch geben könnte. Helfer hatten wir immer genug, es mangelte eher an Arbeit oder Platz, um wirklich alle mit einbinden zu können. Schon nach dem ersten Treffen hatte ich die Kinder ins Herz geschlossen, da sie so offen mit einem doch fremden Menschen umgehen. Auch die Verständigung klappte immer besser, so konnte ich ihnen auf Englisch sagen, was ich wollte und sie konnten auf Norwegisch antworten. Somit konnten beide Seiten die Sprachkenntnisse verbessern. Der Umgang mit den Kindern war ein sehr herzlicher, sowohl von den Mitarbeitern und Kindern aus, wie auch von Father Khiem, welcher als Priester immer mit dabei war. Beten gehört bei vielen Kindern nicht zum Alltag, hier lernen sie jedoch vor dem Essen zu beten und zu bestimmten Anlässen auch ein Ave Maria zu sprechen.
Da ich selbst aus der Jugendarbeit komme interessierte ich mich auch für die Arbeit der Jugend in Oslo. Dank Father Khiem konnte ich an zwei Wochenenden von NUK teilnehmen. Im Grunde ist das wie
der BDKJ in Deutschland und auch super organisiert, wenn auch um einiges kleiner. Aber die jungen Leute machen eine super Arbeit und nehmen ihre Verantwortung als Leiter sehr ernst.
Die Internationalität der Kirche konnte ich anhand einer Studentengruppe, welche ich mit einem italienischen Austauschstudenten gegründet hatte, besonders intensiv erleben. Es war Zufall, dass
wir uns an unserem ersten Sonntag in Oslo in St. Olav trafen. Beide waren wir neu und wussten noch nicht so richtig, wie und wo etwas in der Gemeinde stattfindet. Father Pål erzählte uns bei
einem Treffen, das sie seit Jahren versuchten eine Studentengruppe zu gründen, aber bisher nicht erfolgreich waren. Daniele und ich blieben aber hartnäckig und konnten die Priester schnell für
uns gewinnen.
Somit gründeten wir eine Studentengruppe, zu der wöchentlich zwischen 20 und 30 Leuten kamen bzw. noch kommen.
Meine persönlich schwerste Herausforderung hatte ich in dieser Gruppe. Da es nicht nur ein Treffen bei gutem Essen und netter Gesellschaft sein sollte, fassten wir den Entschluss auch spirituelle Impulse zu setzen. Ich hatte die erste Gebetszeit in die Hand genommen und etwas vorbereitet. Ich hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass gleich alle drei Priester anwesend sein würden. Im Grunde ist das kein Problem, da alle drei wirklich großartige Priester sind, aber ich bin so etwas von Deutschland auch nicht gewohnt, da wir hier eher zu wenige Priester haben. In dieser Gruppe kamen so viele Nationalitäten zusammen und damit so viele unterschiedliche Spiritualität, dass es immer eine Bereicherung war.
In Norwegen ist mir bewusst geworden, dass wir in Deutschland manchmal die Augen verschließen und auch erkennen sollten, dass wir selbst in der Diaspora leben. Wenn in Norwegen zwei Prozent der Bevölkerung katholisch sind, dann gehen von diesen aber auch alle in die Kirche. In Deutschland haben wir zwar viele Katholiken auf dem Papier, aber trotzdem leere Kirchen. Die Priester in Oslo sind ansprechbar und gehen hinaus zu den Leuten. Ich habe die Kirche in Norwegen als eine sehr offene Kirche erlebt, die hinaus geht in die Welt. Wir haben zwar offene Türen an unseren Kirchen, aber wir vergessen zu oft, dass wir aus diesen Türen hinaustreten müssen und die Leute ansprechen. Die Priester in Oslo waren immer als Priester erkennbar mit Römerkragen oder Sultane. Und das wünsche ich mir auch für die Zukunft bei uns.
Damit möchte ich nicht darauf bestehen, dass alle Priester wieder die Soutane tragen sollten, aber vielleicht gibt es eine andere Art, um sich als pastoraler Mitarbeiter zu zeigen. Wir müssen als pastorale Mitarbeiter sichtbar, erkennbar und ansprechbar sein, damit Kirche gelingen kann. Wir müssen neue Wege suchen, um zu den Menschen zu gelangen und uns nicht hinter Kirchenmauern verstecken.
Für meinen weiteren Lebensweg haben sich Fragen aufgetan. Ich studiere Theologie und kann mir immer mehr vorstellen auch im Ausland zu arbeiten. Die Frage ist, ob die Kirche sich in Norwegen in den nächsten Jahren dahin entwickeln wird, dass sie Pastoralreferentinnen braucht. Bisher läuft viel mit Ehrenamtlichen und sehr wenig mit Laientheologen. Die Kirche in Deutschland ist aber im Wandel und sucht neue Formen, da wäre es an der Zeit weit über die eigenen Grenzen hinaus zu schauen.
Kommentar schreiben