Christine Wencker berichtet von ihrem Aufenthalt in Uppsala:
Schnell war für mich klar, dass diese Zeit die Chance ist, noch einmal etwas ganz Anderes zu machen, in eine andere Welt einzutauchen, bevor es für mich auf unbestimmte Zeit in den Schulalltag
geht. Bald kam daher die Idee auf, für ein paar Monate in ein anderes Land zu gehen und dessen Kultur, Sprache, Leute, aber auch die Situation der katholischen Kirche in der Diaspora
kennenzulernen. Schweden war für mich bis auf zwei Kurztrips noch unbekannt, stellte aber nach zahlreichen Skandinavien-Urlauben einen besonderen Reiz dar.
Am 17. April ging dann endlich mein Flieger Richtung Stockholm Arlanda. Dort wartete bereits Sebastian Schwertfeger, um mich in mein neues Zuhause für die nächsten Wochen am Newman-Institut in Uppsala zu bringen. Hier sollte ich nicht nur im Studentenkorridor wohnen, sondern auch bei verschiedenen Aufgaben
im Alltagsgeschäft des Newman-Instituts unterstützend tätig sein. So gehörte unter anderem die selbstständige Betreuung des Gästezimmers der Hochschule zu meinen Aufgaben.
Einer meiner Hauptaufgabenbereiche war die Mitarbeit im Second Hand Shop Erikshälpen an drei Tagen in der Woche. Erikshjälpen ist mit 60 Boutiquen die größte Second Hand-Kette Schwedens und ist in Uppsala Kooperationspartner des Newman-Instituts. Die Grundidee von Erikshjälpen ist es, durch den Verkauf geschenkter Waren soziale und humanitäre Projekte, welche in erster Linie Kindern in Entwicklungsländern helfen, zu unterstützen. Gemäß dem Motto
„Erikshjälpen förändra världen genom att ge liv åt barns drömmar!“
(„Erikshjälpen verändert die Welt, indem es den Träumen von Kindern Leben schenkt!“) liegt der Fokus auf dem Recht aller Kinder auf Bildung, Gesundheit und Schutz.
Meine Aufgaben im Erikshjälpen waren recht vielseitig. Während ich an den geöffneten Tagen in der Regel im Café oder an der Kasse eingesetzt war, hieß es mittwochs: gespendete Waren im Lager zu
überprüfen, zu sortieren, mit Preisen zu versehen und in der Boutique attraktiv zu arrangieren. Besonders interessant war es für mich im Erikshjälpen verschiedenste Menschen kennenzulernen und in
der Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kunden einen Einblick in die schwedische Mentalität zu bekommen, sowie meine schwedischen Sprachkenntnisse zu testen und zu verbessern.
Mein zweiter großer Einsatzort war die Katarinaskolan, eine freie christliche Schule für die Jahrgänge 6-9. Hier hatte ich die Möglichkeit, bis zum Beginn der schwedischen Sommerferien Anfang
Juni montags und freitags eine Lehrerin im Deutsch- und Englischunterricht zu begleiten und dort kleinere Sequenzen zu übernehmen. So habe ich beispielsweise in den Deutschkursen kurze
Präsentationen über die größten Städte Deutschlands oder über die ostfriesischen Inseln gehalten, um den Schülerinnen und Schülern Deutschland als Land näherzubringen. Gleichzeitig stellte der
Dialog mit mir für viele Schülerinnen und Schüler eine praktische Möglichkeit dar, ihre Deutschkenntnisse zu testen und zu verbessern.
Als angehende Lehrerin war ich natürlich neugierig zu sehen, inwiefern sich das schwedische Schulsystem und der Unterricht vom deutschen unterscheiden bzw. welche Gemeinsamkeiten es gibt. Schwer vorstellbar war für mich dabei, wie ein eingliedriges Schulsystem - das bedeutet, dass alle Kinder auf eine Schule gehen, also nicht je nach ihrer Leistungsstärke unterschiedliche Schulformen wie die Realschule oder das Gymnasium besuchen – in der Praxis funktionieren soll. In meinen Unterrichtshospitationen und den intensiven Gesprächen mit meiner Mentorin wurde mir schnell klar, wie grundlegend sich das Bildungskonzept unserer beiden Länder in einigen Bereich, wie zum Beispiel der Lehrerrolle, unterscheidet. So dominiert in Schweden die Vorstellung, dass mit ausreichend Zeit, Geduld, Motivation und Unterstützung, jeder in der Lage sein sollte, nach der neunten Klasse das Gymnasium zu besuchen und zu studieren. Dabei haben die Lehrer eine große Verantwortung, die darin besteht, dass alle Schülerinnen und Schüler am Unterricht aktiv teilnehmen und ggf. individuell gefördert werden.
Neben meinem Praktikum blieb aber auch Zeit, um verschiedene Regionen Schwedens und kulturelle Besonderheiten kennenzulernen. Besonders beeindruckend war für mich das Feiern von Midsommar, auf
das ich schon lange vorher gespannt war. Midsommar präsentierte sich als ein Fest für die ganze Familie. Hier versammeln sich traditionell Jung und Alt, um gemeinsam den Midsommar-Baum zu
schmücken, aufzustellen und anschließend zu singen und um den Baum zu tanzen. Nach ein bis zwei Stunden ist das Spektakel dann bereits vorbei und es wird privat mit einem traditionellen
Midsommar-Buffet, Picknick oder kleinen Konzerten weitergefeiert.
Die Situation der katholischen Kirche konnte ich in erster Linie in den Gottesdiensten in Sankt Lars kennenlernen. Faszinierend war für mich, wie sich Leute mit bis zu 70 verschiedenen Nationalitäten in der Kirche versammeln (und dafür zum Teil weite Strecken auf sich nehmen) und zu einer Gemeinde werden. Aufgrund der vielen Nationalitäten in der Gemeinde finden die Gottesdienste am Wochenende nicht nur auf Schwedisch und Englisch, sondern auch auf Kroatisch, Spanisch, Polnisch und Arabisch stat. Ich persönlich habe am liebsten das schwedische Hochamt besucht, welches ich als sehr intensiv und tendenziell traditionell erlebt habe. Trotz anfänglicher sprachlicher Barrieren, fühlte ich mich hier durch den Wiedererkennungswert von Gebeten und Liedern von Anfang an ein bisschen „Zuhause“.
Am Ende meines Praktikums möchte ich DANKE sagen für eine intensive Zeit voller Erfahrungen und Begegnungen, an die ich mich immer gerne erinnern werde! Mein Dank gilt
insbesondere dem Bonifatiuswerk für die Ermöglichung dieses Praktikums sowie allen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern vor Ort, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen.
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